Schäuble will politischer Einheit Europas ein Gesicht geben
Aachen (dpa) - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat für eine Entwicklung Europas hin zu einer politischen Union geworben und für einen direkt gewählten europäischen Präsidenten plädiert. Der CDU-Politiker erhielt am Donnerstag für seine besonderen Verdienste um die europäische Einigung in Aachen den Karlspreis.
In seiner Dankesrede sagte er: „Wir müssen jetzt eine politische Union schaffen.“ Die Europäer müssten sich verständigen, wie sie die Institutionen stärken und demokratisieren könnten, „und was wir Europa an Zuständigkeiten anvertrauen wollen“. Das werde sich schrittweise entwickeln.
„Wir müssen die demokratische Legitimierung Europas stärken, wir müssen die Effizienz Europas verbessern, und wir müssen die europäischen Institutionen reformieren“, sagte Schäuble, der schon in den 90er Jahren eine institutionelle Weiterentwicklung der EU gefordert hatte.
Das Karlspreis-Direktorium ehrte Schäuble als großen Europäer. Schäuble habe sich historische Verdienste um die Überwindung der deutschen und europäischen Teilung erworben, heißt es in der Begründung. Bei der Stabilisierung des Euro spiele er eine entscheidende Rolle. Mit dem Internationalen Karlspreis zeichnet die Stadt Aachen jedes Jahr Persönlichkeiten aus, die sich besonders um Europa verdient gemacht haben.
In einer sehr persönlichen Laudatio würdigte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker Schäuble als zutiefst überzeugten Europäer. Der Euro sei für Schäuble kein ökonomisches Projekt, sondern Friedenspolitik und Herzensanliegen, für das er sich einsetze. „Er schindet sich, er bemüht sich, er kämpft“, sagte Juncker.
„Die politische Einheit Europas muss ein Gesicht bekommen“, warb Schäuble. Bei der nächsten Europawahl könnten die Parteien schon mit Spitzenkandidaten antreten, die bei einem Wahlerfolg von den Staats- und Regierungschefs als Kommissionspräsident akzeptiert würden. Der Präsident wäre die politische Spitze einer europäischen Exekutive. Dazu sollte die Europäische Kommission weiterentwickelt werden.
Europa brauche Entscheidungen durch demokratisch legitimierte Organisationen. Mit der jetzigen Situation, in der die nationalen Parlamente eine stärkere Rolle hätten, werde man auf Dauer kein Vertrauen in die europäischen Handlungsfähigkeit stärken können.
Bis auf weiteres werde Europa Instrumente unterschiedlicher Integrationsgeschwindigkeit nutzen, um die Einigung voranzubringen, wie etwa die Währungsunion oder Schengen. Von diesen Zwischenlösungen müsse man am Ende wegkommen. „Aber besser in kleinen pragmatischen Schritten vorwärts, als prinzipientreu fest eingemauert stehenzubleiben“, sagte Schäuble.