Schlagabtausch zwischen Merkel und Steinbrück
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine engere wirtschaftspolitische Abstimmung in Europa ausgesprochen. Längerfristig hält sie einen Solidaritätsfonds für die Euro-Länder für denkbar, bekräftigte sie in einer Regierungsreklärung zum zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel.
Damit sollen die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit von starken und schwachen EU-Ländern angepasst werden. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gab Merkel eine Mitschuld für die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
Mit Blick auf eine stärkere wirtschaftspolitischen Koordinierung erklärte Merkel, in einem ersten Schritt müsse über Inhalt und Substanz beraten werden. Danach könne es um verbindliche Absprachen zwischen Mitgliedstaaten und der Kommission gehen. „In diesem Zusammenhang halte ich einen an enge Bedingungen geknüpften Solidaritätsmechanismus für denkbar, zum Beispiel in Form eines Fonds für die Euro-Zone.“ Es gehe nicht um eine neue Finanzquelle. Das werde es mit Deutschland nicht geben. Neu ist die Idee nicht. Merkel hatte bereits einen befristeten Solidaritätsfonds ins Gespräch gebracht.
Steinbrück attackierte Merkel direkt: „Die Jugendarbeitslosigkeit (...) und die hohe Arbeitslosigkeit insgesamt, Frau Bundeskanzlerin, ist eine direkte Folge der völlig einseitigen Sparpolitik, die Sie maßgeblich in Europa betrieben haben“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Der Teufelskreis von Sparen, Wachstumseinbruch und größeren Defiziten bei wegbrechenden Einnahmen sei ungebrochen: „Und darauf verlieren Sie keinen einzigen Satz in dieser Regierungserklärung.“ Die vorgesehenen sechs Milliarden Euro der EU im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit seien „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Erforderlich seien 20 Milliarden Euro, „und zwar in den nächsten beiden Jahren“.
Vor dem zweitägigen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs verteidigte Merkel ihren Kurs in der Euro-Schuldenkrise. Wachstum und Haushaltskonsolidierung seien keine Gegensätze, im Gegenteil, sie bedingten einander. Deutschland habe gezeigt, dass das gehe. „Wir können beides - Wachstum und Haushaltskonsolidierung.“
Die Kanzlerin lobte die in der Nacht zum Donnerstag erzielte Einigung der EU-Finanzminister auf Regeln zur Sanierung und Schließung maroder Großbanken. Danach werden primär Gläubiger und Eigentümer herangezogen und der Staat als Letzter, um Institute zu retten. „Wir kommen weg davon, dass die Steuerzahler immer wieder für die Banken gerade stehen sollen.“
Vor der Bundestagswahl am 22. September kritisierte Steinbrück, die nicht finanzierten Wahlgeschenke der Union von 50 Milliarden Euro passten nicht zu Forderungen nach eisernem Sparen in Krisenländern. Schwarz-Gelb habe trotz historischer Niedrigzinsen 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht: „Der Punkt ist einfach. Sie können nicht mit Geld umgehen. Wenn Sie in der Wüste regieren, wird der Sand knapp.“
Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, hält die Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit für unzureichend. Er hielt Merkel vor: „Sie sind nicht nur undemokratisch, sie sind nicht nur unsozial, sie sind unverantwortlich.“ Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte in Richtung CDU-Chefin: „Sie sind die Schuldenkanzlerin Deutschlands.“ Es gebe keine Gegenfinanzierung der Milliarden-Versprechen.