Sozialstudie: Viele junge Erwachsene von Armut bedroht
Berlin (dpa) - Jeder fünfte junge Erwachsene in Deutschland ist nach einer statistischen Auswertung trotz staatlicher Hilfen von Armut bedroht. Das geht aus dem neuen „Sozialmonitor Jugendarmut“ hervor, den die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit am Freitag vorgelegt hat.
Die Analyse liest sich mitunter düster. Schätzungsweise 80 000 junge Leute hätten den Anschluss an Schule, Arbeitswelt und Sozialsysteme völlig verloren, heißt es in der Untersuchung. Sie lebten von finanzieller Hilfe ihrer Familien, Partner oder Freunde oder seien in Schwarzarbeit und Kriminalität abgedriftet.
„Wir diskutieren viel über Kinderarmut und Altersarmut. Aber die entscheidende Phase der Jugend, in der die Weichen gestellt werden, ist bisher kaum im Blick“, kritisierte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft, Simon Rapp.
Für ihre Datensammlung hat die Arbeitsgemeinschaft zum zweiten Mal seit 2010 bestehende Statistiken auf die rund 13 Millionen 14- bis 27-Jährigen heruntergebrochen - darunter Zahlen des Statistischen Bundesamts und des Deutschen Jugendinstituts. In dieser Zusammenschau sei die Übersicht neu, sagte Rapp.
Unter Jugendarmut verstehe die Arbeitsgemeinschaft nicht allein ein Einkommen, das mehr als 60 Prozent unter den deutschen Durchschnittswerten liege. „Wir fassen auch andere Arten von Unterversorgung und Benachteiligung darunter“, sagte Rapp. Dazu gehörten auch emotionale, soziale und kulturelle Armut. Als Gründe für Jugendarmut nennt Rapp vor allem fehlende Schulabschlüsse, Ausbildungen und Billigjobs ohne Perspektiven.
Ein Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich Jugendarmut in West- und Ostdeutschland eher als städtisches Phänomen zeigt. Die höchsten Quoten gibt es laut Monitor in Bremerhaven (22,1 Prozent), Gelsenkirchen (21,8 Prozent) und Berlin (rund 21 Prozent). Den niedrigsten Landeswert hat Bayern mit 3,8 Prozent. Doch auch dort stechen Städte wie Nürnberg mit Quoten um die 11 Prozent hervor.
Viele junge Männer und Frauen müssten als Hartz-IV-Bezieher mit weniger als 300 Euro im Monat auskommen, erläuterte Rapp. Jugendliche könnten aber bereits durch eine Reihe unbezahlter Praktika in relative Armut abrutschen.
Wenn ein junger Erwachsener in einer Hartz-IV-Familie lebe und dort auch noch Lieblosigkeit oder Gewalt erlebe, müsste er ausziehen, um eine Zukunftschance zu bekommen, betonte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. Durch die restriktive Wohngeld-Vergabe werde der Wechsel in ein anderes Umfeld aber häufig erschwert.
Rapp kritisierte auch die sofortige Kürzung aller staatlicher Leistungen, wenn Jugendliche gegen Auflagen wie eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen verstießen. „Das ist für uns einer der großen Skandale der Sozialgesetzgebung.“ Besser sei eine stufenweise Kürzung - und ein erfahrener Blick dafür, welche Hilfen ein Jugendlicher brauche, um auf die eigene Beine zu kommen.