Steinbrück fordert: Familienpolitik grundlegend prüfen

Berlin (dpa) - Die Familienpolitik rückt stärker in den aufziehenden Bundestagswahlkampf. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will im Fall eines Wahlsieges das gesamte System der familienpolitischen Leistungen auf den Prüfstand stellen.

„Wir brauchen eine Umstellung der Familienpolitik“, sagte er „Spiegel online“. „In Zukunft kann es nicht darum gehen, an einzelnen Instrumenten herumzustricken“, fügte er hinzu. Die SPD wolle so viel Geld wie möglich in den Ausbau der Infrastruktur stecken. Der Schwerpunkt müsse auf einer verbesserten Betreuung von Kleinkindern und Schülern liegen.

Die Bundesregierung ließ offen, ob sie einen Expertenbericht über die Wirksamkeit von familienpolitischen Leistungen noch vor der Bundestagswahl im September veröffentlicht. Die 2009 in Auftrag gegebene Studie werde im Laufe des Jahres vorgelegt, sagte eine Sprecherin von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) am Montag in Berlin. Auf einen genauen Termin wollte sie sich aber nicht festlegen.

Ein von der Bundesregierung beauftragter Gutachterkreis ist nach Informationen des „Spiegel“ zu dem Schluss gekommen, dass viele Familienleistungen wie Kindergeld und Ehegattensplitting untauglich und wirkungslos sind. Schröders Sprecherin bekräftigte, bei dieser Stellungnahme handle es sich nicht um einen offiziellen Bericht. Die Darstellung des Nachrichtenmagazins sei deshalb „unseriös“.

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) warf Schröder (CDU) vor, ihre Arbeit zu vernachlässigen. Der Schaden, der durch die falsche Konzeption der Analyse entstanden sei, sei „immens“, sagte Haderthauer dem „Münchner Merkur“ (Dienstag). „Wirtschaftswissenschaftler begutachten zu lassen, ob Familienpolitik ökonomisch rentabel ist - das ist zynisch“, meinte sie. Offenbar habe sich Schröder nicht genug um das Thema gekümmert. Nacht Ansicht von Haderthauer sollte auf die Studie ganz verzichtet werden.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, wenn es unangenehme Wahrheiten zu vertuschen gebe, veröffentliche Schwarz-Gelb die Ergebnisse einfach nicht. „Es ist an der Zeit, dass sich Frau Schröder der Realität stellt“, verlangte Nahles. „Die Kanzlerin und ihre zuständige Ministerin wollen offenbar die verheerende Bilanz ihrer Familienpolitik nicht öffentlich machen“, kritisierte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth in den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“.

Für die Linkspartei ist das Vorgang ein Beleg, dass Schröder in ihrem Amt eine „absolute Fehlbesetzung“ sei. Ihr „Nichtstun“ habe allerdings das Gute, dass die CDU-Politikerin wenigstens keinen größeren Schaden angerichtet habe, meinte der Familienpolitiker der Linken, Jörn Wunderlich.

Die CDU machte deutlich, dass sie ungeachtet der Debatte über die Wirksamkeit bestehender Familienleistungen auf weitere Verbesserungen für Eltern mit Kindern setzt. „Wir wollen auch weiter sensibel sein für den Wunsch von Familien, wie wir ihnen bestmöglich Rückenwind geben können“, sagte Generalsekretär Hermann Gröhe nach einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. Dabei könnten Maßnahmen einen Mentalitätswandel nur unterstützen, wenn sie nicht nach zwei Jahren wieder angezweifelt würden.

Gröhe betonte, die Wirksamkeit von Leistungen sei insgesamt zu überprüfen. Kriterium für den Erfolg dürfe aber nicht allein die Geburtenrate sein, sondern etwa auch die Gerechtigkeit zwischen den Familien.

Nach Angaben des Familienministeriums summieren sich die über 150 ehe- und familienbezogenen Leistungen auf etwa 203 Milliarden Euro. Darunter fallen jedoch auch Zahlungen wie die Witwenrechte. Knapp 40 Milliarden Euro kostet das Kindergeld.