UN-Appell an Europas Gewissen: Rechte von Flüchtlingen achten

Genf (dpa) - Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hat die europäischen Staaten in einem dringenden Appell aufgerufen, nach dem Vorbild Deutschlands und Schwedens mehr für Asylsuchende aus Kriegsländern zu tun.

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Europa müsse so schnell wie möglich ein effektives gemeinsames System für die Aufnahme von Flüchtlingen schaffen, erklärte Said Raad al-Hussein am Montag in Genf bei der Eröffnung der 30. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Dazu gehörten legale Wege für die Migration.

Zwar hätten Staaten das souveräne Recht, ihre Grenzen zu sichern und über die Bedingungen der Einreise und des Aufenthalts auf ihrem Territorium zu entscheiden. „Aber sie haben auch die Pflicht, die Menschenrechte, die Rechte von Flüchtlingen und das humanitäre Völkerrecht zu respektieren“, sagte Al-Hussein.

Al-Hussein begrüßte den Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, 120 000 Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. Daneben seien erweiterte Möglichkeiten für eine reguläre Migration erforderlich. Beide Maßnahmen seien zugleich nötig, damit der Tod von noch mehr Menschen auf gefährlichen Fluchtrouten verhindert und der Menschenschmuggel unterbunden werden könne.

Zugleich rief der Hochkommissar den UN-Sicherheitsrat auf, endlich gemeinsam auf die Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien hinzuwirken. Durch den Krieg wurden bereits mehr als vier Millionen Menschen in die Flucht getrieben.

In vielen Ländern leisteten Menschen angesichts der Bilder des Flüchtlingselends - darunter das Foto des ertrunkenen syrischen Jungen Aylan - Migranten aus Mitgefühl Hilfe, sagte Al-Hussein. Mehr Politiker und Regierungen müssten diesem Beispiel folgen: „Ich appelliere an die europäischen Staaten, an dieses Aufbäumen menschlicher Gefühle anzuknüpfen.“ Dabei stünden auch Staaten in Afrika und im Nahen Osten in der Pflicht.

Die Vertreter der 47 Mitgliedstaaten des Menschenrechtsrates beschäftigten sich während der dreiwöchigen Herbstsitzung des UN-Gremiums auch mit der Lage in der Ukraine, in Somalia und im Sudan sowie mit einem erstmals erstellten umfangreichen Bericht zu Verbrechen während des Bürgerkrieges in Sri Lanka.

Ebenfalls zum ersten Mal wird es in Genf eine Sonderdebatte zur brutalen Unterdrückung der Bevölkerung in Nordkorea geben. Dem Rat liegt ein Expertenbericht vor, der die Partei- und Staatsführung unter Kim Jong Un direkt für systematische Folter sowie massenhafte Morde verantwortlich macht.

Die Beratungen werden vom deutschen Botschafter Joachim Rücker geleitet. Der Ständige Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen in Genf war Anfang Januar im Konsens als Ratspräsident für das Jahr 2015 bestätigt worden. Beschlüsse des Rates sind - anders als jene des UN-Sicherheitsrates - nicht völkerrechtlich bindend. Dennoch besteht die Hoffnung, dass sie politisch-moralische Wirkung haben und damit Bemühungen um Konfliktlösungen unterstützen.