Münchner Sicherheitskonferenz Was kommt nach der Wahrheit, nach dem Westen und nach der Ordnung?

Die Münchner Sicherheitskonferenz steht ab Freitag im Zeichen des Abschieds von den USA als Führungsmacht des freien Westens. Europa müsse übernehmen, so die Organisatoren.

Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, bei einer Pressekonferenz zur bevorstehenden 53. Münchner Sicherheitskonferenz.

Foto: Alexander Heinl

München/Berlin. Wenige Tage vor der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), die am Freitag in München beginnt, hat Konferenz-Chef Wolfgang Ischinger am Montag in Berlin den dritten Sicherheitsreport vorgestellt, dessen Titel unsichere und gefährliche Zeiten nach der Wahrheit, nach dem Westen und nach der Ordnung ankündigt: „Post-Truth, Post-West, Post-Order?“ Standen auf der MSC 2016 noch klar die russische Aggression gegen den Westen und der Stellvertreterkrieg in Syrien ganz oben auf der Tagesordnung, so wird diesmal in den Konferenzräumen des Bayerischen Hofs vor allem um die USA gehen.

In vier Jahrzehnten internationaler Diplomatie habe er noch nie eine vergleichbare „maximale Unplanbarkeit“ im Hinblick auf die USA erlebt, so Ischinger, der von 2001 bis 2006 selbst deutscher Botschafter in Washington war. Trumps Ankunft, so Ischinger, bedeute das Ende des von den USA als Fackelträger angeführten Westens, dem andere nacheifern könnten. Wenn der Westen als Modell und Vorbild in Sachen Menschenrechte, Freiheit, Würde und Individualität nicht ganz verloren gehen solle, müsse Europa die bisherige Führungsrolle der USA übernehmen.

Wie die MSC-Organisatoren mitteilten, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Teilnahme an der Sicherheitskonferenz bestätigt, die weltweit das größte informelle Gesprächsforum zur Außen- und Sicherheitspolitik ist. Merkel trifft in München unter anderem erstmals auf US-Vizepräsident Mike Pence und US-Verteidigungsminister James Mattis. Auch Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn und US-Heimatschutzminister John Kelly haben sich angekündigt.

Insgesamt werden mehr als 30 Staats- und Regierungschefs sowie mehr als 80 Außen- und Verteidigungsminister erwartet. Daneben haben sich der neue UN-Generalsekretär Antonio Guterres, Donald Tusk als Präsident des Europäischen Rates und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg angesagt. Die russische Regierung wird nur durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten sein. Eher überraschend hat laut Ischinger der chinesische Außenminister Wang Yi seine Teilnahme angekündigt. Ischinger führt Wang Yis Teilnahme auf die starke US-Präsenz zurück, der China entgegentreten wolle. Vizepräsident Mike Pence wird am Samstag in München erstmals die Außenpolitik des Weißen Hauses unter Präsident Donald Trump in Europa vorstellen.

Im Sicherheitsreport zur Konferenz beschreiben die Organisatoren, gestützt auf umfangreiches Datenmaterial westlicher Think Tanks und Berater, den aktuellen Aufschwung populistischer Parteien und Politiker als Spitze eines international bereits zehn Jahre anhaltenden Abnehmens von Freiheitsrechten. So sei es nicht überraschend, dass Donald Trump in seiner Antrittsrede die Worte „Demokratie“, „Freiheit“ und „Menschenrechte“ nicht erwähnt habe. „Der globale Aufstieg der Populisten stellt eine gefährliche Gefahr für die Menschenrechte dar“, so Kenneth Roth von Human Rights Watch.

Das Beratungsunternehmen Eurasia Group, das jährlich eine Top-10 der politischen Risiko-Themen veröffentlicht, führt im Report auf den ersten drei Plätzen ein international weniger eingebundenes Amerika, die Gefahr chinesischer Überreaktionen auf Spannungen mit den USA und eine Schwächung der europäischen Führungsposition von Bundeskanzlerin Angela Merkel auch im Falle einer Wiederwahl.

Wolfgang Ischinger und die Autoren des Reports favorisieren in Sachen europäischer Sicherheit den Aufbau einer parallelen, aber kompatiblen EU-Struktur zur Nato, eine Art Militär-Schengen. Zu den vielfach geförderten Erhöhungen der europäischen Verteidigungsausgaben sagte Ischinger in Berlin: „Viel wichtiger als das Zwei-Prozent-Ziel ist die bessere Kooperation der Europäer untereinander, zum Beispiel gemeinsame Beschaffung.“

Dazu lieferte die Beratung McKinsey interessante Vergleiche: Während die USA mit einem hauptsächlichen Kampfpanzer auskämen, nutzten die Europäer 17 verschiedene Modelle. Ähnlich sieht es auch bei Fahrzeugen, Kanonen, Flugzeugen, Hubschraubern und Schiffen aus. Insgesamt nutzen die US-Streitkräfte demnach 30 verschiedene Waffensysteme, die Europäer aber 178.