Jetzt bin ich der Boss! - Wenn Azubis Chef auf Zeit werden

Waiblingen (dpa/tmn) - Füße hoch und andere arbeiten lassen: So stellt sich mancher Azubi das Chef-Leben vor. Inzwischen bieten einige Betriebe Jugendlichen die Möglichkeit, sich als Boss auszuprobieren.

Dabei merken viele schnell: Chef sein ist gar nicht so entspannt.

Einmal der Boss sein und anderen sagen können, wo es lang geht. Welcher Azubi hat nicht schon einmal davon geträumt? Tatsächlich bieten inzwischen einige Unternehmen ihrem Nachwuchs die Chance, Chef auf Zeit zu werden. Wer diese Möglichkeit nutzt, sammelt während der Ausbildung wertvolle Erfahrungen.

Marcus König macht im zweiten Lehrjahr eine Ausbildung zum Mechatroniker bei Bosch. Obwohl er erst 17 Jahre als ist, weiß er schon genau, wie eine Firma geleitet werden muss. Im Sommer hat König für drei Monate eine Abteilung gemanagt. Möglich macht das die Junior Company von Bosch.

Pro Jahr können dort rund 400 Auszubildende den Firmenbetrieb selbst in die Hand nehmen. Die Produkte gehen regulär in den Verkauf. Der Vorteil liegt für Siegfried Czock, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei Bosch, klar auf der Hand. „Während der Ausbildung lernen Lehrlinge sonst nur einen Teil der Abläufe kennen“, erzählt er. Bei der Junior Company organisierten sie von der Auftragsannahme bis zum Verkauf jeden Schritt selbst.

Azubis gewinnen in diesen Projekten tiefe Einblicke in die Arbeit von Führungskräften, sagt auch Christine Axtmann von Kaufland. Die Warenhauskette hat vor elf Jahren das Ausbildungsprojekt „Azubis führen einen Markt“ ins Leben gerufen.

„Unsere Azubis, die sich im ersten bis dritten Lehrjahr zum Einzelhandelskaufmann oder im ersten und zweiten Ausbildungsjahr zum Verkäufer befinden, sind für alle Marktabläufe verantwortlich“, erklärt sie. So will die Firma Führungskräfte aufbauen.

Die Anforderungen in Boschs Junior Company seien hoch, erzählt Azubi König. Doch ins kalte Wasser werde niemand geworfen. Er selbst habe die ersten drei Wochen in der Junior Company an einer Maschine gearbeitet. Erst dann habe ihn sein Ausbilder als Technischen Leiter vorgeschlagen. Gemeinsam mit einer Azubi-Kollegin aus dem kaufmännischen Bereich nahm er Aufträge entgegen, bestellte Material und überwachte die Qualität im Herstellungsprozess.

Doch nach weiteren vier Wochen durfte König das Ruder selbst in die Hand nehmen. Ihm habe das viel gebracht, erzählt er. „Ich konnte zum ersten Mal richtig Verantwortung übernehmen und lernte, wie wichtig Teamarbeit ist.“ Weil König mit einigen Azubis aus seiner Junior Company befreundet ist, hat er von Anfang an Berufliches und Privates getrennt. „Ich war schließlich in dieser Zeit nicht nur Kollege, sondern auch Vorgesetzter.“ Dabei sei es hin und wieder auch vorgekommen, dass er Anweisungen geben musste, mit denen er sich unbeliebt gemacht hat.

Gerd Woweries, Ausbildungsbeauftragter bei der Industrie- und Handelskammer Berlin, rät Jugendlichen, Herausforderungen dieser Art zu nutzen. „Firmen ziehen sich damit nicht nur ihren eigenen Nachwuchs heran“, sagt der Experte. Bei so einem Projekt lernten die Jugendlichen auch sehr viel. Und größere Aufgaben stärkten in der Regel auch die Motivation, erklärt Woweries.

Azubi König hat das Vierteljahr als Chef jedenfalls prima gemeistert. Inzwischen hat er schon ein neues Ziel: Nach dem Abschluss seiner Ausbildung will er studieren und dann wieder zu Bosch gehen. Dann vielleicht als richtiger Chef.