Keine gute Idee verpassen Richtiges Zuhören lässt sich lernen

Münster (dpa/tmn) - „Hörst du mir überhaupt zu?“ Das ist eine gute Frage - denn ganz oft tut der andere genau das nicht.

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Falsches oder schlechtes Zuhören ist einer der Hauptgründe für Probleme in Teams und Unternehmen, sagt Unternehmensberaterin und Autorin Stephanie Borgert. Ein Gespräch über Selektivhörer, langweilige Powerpoint-Vorträge und soziales Grunzen.

Frau Borgert, warum können wir nicht zuhören?

Stephanie Borgert: Weil wir das genaue Gegenteil davon gelernt haben. Im beruflichen Kontext geht es meistens darum, gute Argumente zu haben, flüssig vorzutragen und Standpunkte zu verteidigen. Das führt dann dazu, dass wir permanent mit uns selbst beschäftigt sind - auch wenn gerade jemand anders redet. Hinzu kommt, dass wir durch Smartphones und Laptops ohnehin dauerhaft abgelenkt wird. Das verschärft das Problem nur noch.

Aber warum ist richtiges Zuhören so wichtig?

Borgert: Weil ich verstehe, was den anderen bewegt - ich habe also die Gelegenheit zu lernen, Erkenntnisse zu gewinnen. Wenn ich das nicht tue, entgehen mir gute Lösungsansätze für Probleme. In der Arbeitswelt ist Diversität ja heute ganz wichtig, weil ich dadurch viele verschiedene Perspektiven und damit auch Lösungsansätze an einen Tisch bekomme. Das bringt aber nur dann was, wenn ich diese Ansätze auch höre.

Also muss vor allem der Chef gut zuhören? Oder gilt das für alle?

Borgert: An den Übergängen zwischen den Hierarchie-Ebenen, da wo Vorgesetzte und Mitarbeiter sich auseinandersetzen, ist gutes Zuhören tatsächlich besonders wichtig. Im Grunde gilt das aber immer da, wo es um das gemeinsame Lösen von Problemen geht. Denn das scheitert oft ganz grundsätzlich daran, dass es überhaupt keine echte Kooperationshaltung gibt. Und das richtige Zuhören ist ein Teil davon.

Kann denn wirklich niemand zuhören? Oder gibt es da auch Positiv-Beispiele?

Borgert: Ich unterscheide drei Typen von Zuhörern: Erstens die Selektivhörer, die nur halb zuhören und vor allem auf die richtigen Stichworte für ihren eigenen Beitrag warten. Zweitens die Bewerter, die oft sehr schnell und analytisch denken und immer sofort Gegenargumente formulieren. Und dann drittens die echten Zuhörer, die ihren inneren Dialog wirklich anhalten können und sich ganz auf ihr Gegenüber konzentrieren.

Kann ich richtiges Zuhören lernen?

Borgert: Klar geht das, man muss es nur wollen. Der erste Schritt dabei ist herauszufinden, warum ich nicht zuhören kann. Oft gibt es ja gute Gründe dafür: Ich bin abgelenkt, ich mag mein Gegenüber nicht, der Vortrag ist langweilig - wenn jemand mit 20 Folien Powerpoint ankommt, habe ich auch keine Lust mehr. Wenn ich diese Gründe kenne, kann ich versuchen, sie auszublenden und mich wirklich komplett auf den Sprechenden einzulassen. Das bedeutet dann übrigens auch, meine Körpersprache ganz zurückzufahren.

Also kein Nicken, kein „Mhm“?

Borgert: Nein, gar nicht. Denn dieses aktive Zuhören ist ja auch eine Form des Dialogs: Mit dem „Mhm“, diesem sozialen Grunzen, gebe ich dem anderen ja ein Feedback. Lässt man es von Anfang an weg, gibt man dem anderen die Chance, wirklich ganz bei sich zu sein und ein Thema wirklich zu durchdringen. Zu oft bleiben Gespräche bei der Arbeit ja ganz an der Oberfläche.

Und kann ich umgekehrt als Sprecher auch dafür sorgen, dass mir mein Gegenüber richtig zuhört?

Borgert: Da gibt es schon Möglichkeiten. Ich zum Beispiel höre einfach auf zu reden, wenn jemand im direkten Gespräch mit mir plötzlich auf sein Smartphone guckt. Vor allem kann ich bei der Arbeit aber Verabredungen für eine bessere Zuhör-Kultur treffen. Ich plädiere zum Beispiel dafür, Smartphones und Laptops aus Meetings komplett zu verbannen, Powerpoint auch. Vielleicht noch Zettel und Stift, aber sonst nur Menschen - das sind zumindest ideale Voraussetzungen für richtiges Zuhören.