Uni-Leben mal anders: Studieren in Buenos Aires

Buenos Aires (dpa) - Die beiden Deutschen Ann-Kristin Stumpp und Lena Becker studieren in Buenos Aires. Vieles ist ungewohnt. Doch mit der Zeit wird die Fremde in mancher Hinsicht vertrauter als die Heimat Deutschland.

Für die Lateinamerikanistik-Studentin Ann-Kristin Stumpp war Argentinien erste Wahl. Schließlich dreht sich ihr komplettes Studium um Südamerika, und nach vier Semestern in Eichstätt, der kleinsten Universitätsstadt Europas, will sie vor allem eines: Kontrastprogramm, Großstadtleben, raus. Willkommen in Buenos Aires.

Als sie vom deutschen Sommer in den argentinischen Winter fliegt, kühlt ihre Vorfreude recht schnell ab. In ein paar Tagen könne sie ihr neu gemietetes Zimmer beziehen, sagen die Besitzer. Es müsse lediglich die heruntergebrochene Decke repariert werden. Aus ein paar Tagen werden fünf Wochen und Ann-Kristin lernt ihre erste Lektion: Zeit und Zuverlässigkeit sind in Argentinien dehnbare Begriffe.

Kurz darauf steht ein Termin bei der Einwanderungsbehörde an: Menschenschlangen wie beim deutschen Sommerschlussverkauf, sechs Stunden Wartezeit. Als sie endlich an der Reihe ist, verkündet ihr die Dame am Schalter beim ersten Mal, dass das Passfoto leider einen Millimeter zu groß sei, beim zweiten Mal, dass die Qualität der Passkopie nicht ausreiche. Beim dritten Mal klappt es dann.

„Während der Zeit in Argentinien habe ich mich als Deutsche kennengelernt“, sagt die 23-Jährige aus Sigmaringen. Sie räumt ein: Sorgfalt, Pünktlichkeit und Sauberkeit seien anerzogene Werte, die wohl jeder Deutsche in sich trage und nur schwer loslassen könne.

Sagt man den Deutschen nach, gefühlsarm zu sein, seien die Argentinier das genaue Gegenteil: Alles dreht sich ums Gefühl, meint die Studentin. Doch den Tango als Therapie ersetze heute die Couch. Die Zahl der Psychologen ist in Buenos Aires außerordentlich hoch. Der Umgang miteinander ist locker, erzählt die 23-Jährige. Begrüßt wird fast jeder mit Küsschen und einem „Wie geht es dir, Dummkopf!“, wobei das je nach Statur zu „Dicker“ oder „Spargel“ wechselt. „Aber was wir als barsch empfinden, meinen die Argentinier eigentlich liebevoll“, sagt Ann-Kristin.

Lena Becker aus Bremen lebt, arbeitet und studiert seit drei Jahren in Buenos Aires. Zur Zeit macht die 26-Jährige ihren Master in Vergleichender Literaturwissenschaft an der Universidad de Buenos Aires (UBA), der angesehensten staatlichen Universität des Landes. Dass das Studentenleben anders ist als in Deutschland, hat sie schnell gemerkt: Fast zwei Monate war die Uni vergangenes Semester von Studenten besetzt. Zwei Monate, in denen Lena statt im Vorlesungssaal in Grundschulen oder Kulturzentren paukte. Die Masterstudiengänge kosten an der UBA Geld, weshalb die Uni immerhin Ersatzräume suchte.

Momentan sind in Argentinien Semesterferien. Wann die Vorlesungen wieder losgehen und welche Kurse sie belegen soll - Lena weiß es nicht. Erst kurz vorher kündigt die Uni per E-Mail an, dass ihre Ferien in ein paar Tagen zu Ende sein werden.

Für ihr Studium in Argentinien muss Lena nicht nur spontan, sondern auch belastbar sein. Nebenher arbeitet sie 30 Stunden pro Woche beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und im Goethe-Institut. Urlaub hat sie erst im Sommer wieder, dann geht es für ein paar Wochen zurück nach Bremen. Auch wenn sie weiß: „In Deutschland fühle ich mich Jahr für Jahr fremder.“