Wie werde ich...? Industriekletterer

Berlin (dpa/tmn) - Es sieht spektakulär aus, wenn sich Industriekletterer von meterhohen Windrädern, Kirchtürmen oder Hochhäusern abseilen. Für die Höhenarbeiter gehört das zum Alltag. In schwindelerregender Höhe führen sie Arbeiten aus, die sonst keiner machen kann.

„Das Aufgabengebiet ist sehr groß“, sagt Kai Langer, Ausbildungsleiter bei der Berufskletterschule in Bad Soden-Salmünster. Industriekletterer dichten renovierungsbedürftige Wohnblocks mit Silikon ab, sie überprüfen Dachschindeln auf Kirchtürmen, tauschen Fenster aus oder reinigen diese in luftiger Höhe. Immer gehe es um Gebäudeteile, zu denen kein anderer hinkommt, weil die Benutzung eines Krans oder die Aufstellung eines Gerüsts für zwei oder drei Fenster zu kostspielig ist.

Der größte Einsatzbereich bietet zurzeit allerdings die Windenergiebranche, sagt Frank Seltenheim, Geschäftsführer des Fach- und Interessenverbandes für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) in Berlin. Und weil diese Branche boomt, sind auch Industriekletterer derzeit gefragt. Laut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg kümmern sie sich außerdem um das Beschneiden von Bäumen und sind mit Installationen für Kunst- und Kulturveranstaltungen betraut.

Die Ausbildung gliedert sich in drei Kurse mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Im Grundkurs lernen die Teilnehmer die Materialien und das Arbeiten am Seil kennen. Einen Schwerpunkt bilden auch einfache Rettungstechniken. Nach dem ersten Kurs kann man bereits als Industriekletterer arbeiten - vorausgesetzt, man hat einen Partner, der bereits alle drei Kurse bestanden hat. Im Aufbaukurs vertiefen die Teilnehmer ihre Kenntnisse und lernen zum Beispiel, wie man sich unter einem Träger entlang bewegt. Die ersten beiden Kurse bestehen zu 75 Prozent aus praktischen Übungen.

Der dritte Kurs richtet sich vor allem an erfahrene Kletterer, die sich mit der Planung und Durchführung von Baustellen auskennen müssen, auf denen Spezialisten benötigt werden.

Die Kunden der Berufskletterschule sind zur Hälfte Privatkunden, die sich selbst für eine solche Ausbildung entscheiden, um sich ein neues Standbein aufzubauen. Die andere Hälfte wird von Unternehmen geschickt, die die Kursgebühren für ihre Angestellten bezahlen. Die Kurse kosten je nach Level zwischen 900 und 1200 Euro.

Eines ist jedoch wichtig: Industriekletterer ist kein geschützter Beruf. Bevor man sich zum Industriekletterer ausbilden lässt, sollte man daher bereits eine abgeschlossene Fachausbildung in der Tasche haben. „Eine handwerkliche Ausbildung ist am besten“, sagt Seltenheim.

Wichtig ist nur, dass Industriekletterer gesundheitlich topfit sind. Um eine Ausbildung machen zu können, muss man darüber eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. „Man muss seine Höhentauglichkeit feststellen lassen“, erklärt Langer.

Außerdem müssen Industriekletterer teamfähig sein. Auch wenn jeder an seinem eigenen Seil hängt, sind keine waghalsigen Einzelgänger gefragt. Denn laut Sicherheitsvorschriften müssen immer mindestens zwei Industriekletterer gemeinsam im Einsatz sein - um sich im Notfall gegenseitig retten zu können. „Man muss sich aufeinander verlassen können“, sagt Langer.

Langer liebt seinen Beruf, weil er immer mit Menschen zusammen sein und draußen arbeiten kann. Wind und Wetter machten ihm dabei nichts aus, er habe schließlich die richtige Kleidung. Und Seltenheim sagt: „Das Schönste daran ist, dass man an Orte kommt, wo sonst niemand anderes hinkommt.“ Die Aussichten über die Städte, in denen er arbeitet, genießt er noch heute.