233 000 Plätze fehlen bei Kinderbetreuung
Wiesbaden (dpa) - Jetzt ist es amtlich: Der Ausbau der Betreuungsplätze für Kleinkinder geht im Westen der Republik viel zu langsam voran. Die Statistik nährt Zweifel, ob das große Ziel noch zu schaffen ist: Bis 2013 jedem dritten Kleinkind einen Platz anzubieten.
Der Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland kommt nicht wie geplant voran. Für Kleinkinder fehlen bis 2013 rund 233 000 Betreuungsplätze - und zwar ausschließlich im Westen. Derzeit gibt es in den alten Bundesländern nur für jedes fünfte Kind unter drei Jahren (20,0 Prozent) einen Platz in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag (8. November) mitteilte. Die neuen Bundesländer und Berlin erfüllen die von Bund, Ländern und Kommunen für 2013 angestrebte Quote von rund 35 Prozent dagegen schon.
Bundesweit gerechnet besucht derzeit gut jedes vierte Kind (25,4 Prozent) unter drei Jahren eine Krippe, Kita, Krabbelstube oder Tageseltern. Das waren 517 000 Mädchen und Jungen und damit 45 000 mehr als vor einem Jahr. Der Anstieg fiel 2011 allerdings geringer aus als im Vorjahr. Damals waren 55 000 zusätzliche Betreuungsplätze für die Kleinsten geschaffen worden. Die Zahlen erheben die Statistiker immer Anfang März.
Bund, Länder und Kommunen hatten den Ausbau der Kinderkrippen 2007 vereinbart. Der Bund versprach den Ländern damals, dafür bis 2013 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Schon am Montag war bekanntgeworden, dass die angestrebte Betreuungsquote von 35 Prozent - das wären bundesweit 750 000 Plätze - im Westen bis 2013 voraussichtlich nicht mehr zu erreichen ist.
Vom Kindergartenjahr 2013/14 an gibt es für Mädchen und Jungen ab dem 1. Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Angesichts des ungenügenden Ausbaustandes fordern Kommunalverbände eine Überprüfung der Pläne. „Es darf nicht dazu kommen, dass die Städte mit Klagen und Schadensersatzforderungen überzogen werden, falls der Rechtsanspruch am 1. August 2013 nicht erfüllt werden kann“, sagte Städtetagspräsident Christian Ude (SPD).
Der Städte- und Gemeindebund forderte einen „Krippengipfel“. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg plädierte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag) für eine finanzielle und personelle Nachsteuerung des Bundes, der Länder und der Kommunen. Einige Länder hätten das vom Bund bereitgestellte Geld den Kommunen noch nicht vollständig zur Verfügung gestellt.
Besonders niedrig ist die Betreuungsquote den Statistikern zufolge derzeit mit knapp 16 Prozent in Nordrhein-Westfalen sowie mit gut 19 Prozent in Niedersachsen und Bremen. In Sachsen-Anhalt (56 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg (je 51 Prozent) geht die Mehrheit der Kleinkinder in die Krippe. In den neuen Ländern ist die Betreuungsquote insgesamt mit 49,0 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in den alten (20,0 Prozent). Berlin erreicht fast 42 Prozent.
Noch am fleißigsten beim Ausbau der Betreuungsplätze ist Rheinland-Pfalz, wo die Betreuungsquote 2011 binnen eines Jahres um 4,5 Punkte auf 24,8 Prozent kletterte. Überdurchschnittliche Zuwächse gab es auch in den norddeutschen Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen. Das geringste Plus verzeichnet mit 1,9 Prozentpunkten Nordrhein-Westfalen. Im Bundesschnitt beträgt der prozentuale Zuwachs 2,2 Prozentpunkte.
Der Bedarf, Söhne und Töchter zeitweilig zu Erziehern oder Tageseltern zu geben, steigt in Deutschland mit dem Alter der Kleinkinder: Die Eltern jedes vierten Einjährigen bringen ihren Nachwuchs in die Krippe oder zur Tagesmutter. Bei den Zweijährigen sind es schon 47,2 Prozent. Und von den Babys im ersten Lebensjahr werden nur 2,6 Prozent auch außerhalb des Elternhauses versorgt.
Der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler kritisierte, Frauen werde die Berufstätigkeit unmöglich gemacht. „Vielen Frauen wird somit gar nichts anderes übrig bleiben, als das am Sonntag von der Koalition beschlossene Betreuungsgeld anzunehmen. Mit der versprochenen Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung hat das aber nichts zu tun“, kritisierte Stadler in Berlin. Schwarz-Gelb will ab 2013 Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, 100 Euro monatlich im zweiten Lebensjahr des Kindes und 150 Euro im dritten Lebensjahr zahlen.