Die digitale Beziehung
Ständige Erreichbarkeit und Zurschaustellung im Internet bereitet Paaren zunehmend Konflikte. Sie sollten sich deshalb Regeln geben.
Düsseldorf. Marie (24) sieht sich regelmäßig die Freundeliste ihres Freundes im sozialen Netzwerk Facebook an. Kennt sie jemanden nicht, macht sie das misstrauisch. Ab und zu durchstöbert sie seine SMS und E-Mails. Paula und Mark (beide 27) hingegen teilen sich einen gemeinsamen Account bei Facebook. Martin (35) ärgert sich, dass seine Frau dort Fotos ihres gemeinsamen Sohnes hochlädt.
Das Internet und die Neuen Medien stellen Beziehungen vor neue Probleme. „Und zwar alle Paaren früher oder später“, weiß Dariush Barsfeld, Paartherapeut aus Darmstadt. „Menschen gehen nicht mehr auseinander, obwohl sie sich räumlich nicht sehen“, erklärt er die größte Veränderung. „Es gibt eine ständige Verfügbarkeit.“
In seiner Praxis erlebt er Paare, die sich streiten, weil ein Partner auf Dienstreise war und nicht direkt auf die SMS des anderen geantwortet hat. Das kennt auch Psychologin Franziska Kühne aus Berlin: „Beziehungen werden heute digital geführt.“ Das habe auch einen Einfluss auf ihre Qualität. „Es gibt Paare, da sitzt einer im Wohnzimmer, der andere im Schlafzimmer, und die schreiben SMS“, weiß sie aus der Praxis.
Handy oder Computer stehen als eine Art „Zwischenpuffer“ zwischen den Personen. Paare versuchten häufiger Probleme schriftlich, per Mail, SMS oder Chat zu lösen. „Es herrscht eine regelrechte Telefonphobie“, sagt Kühne. „Durch die Geräte distanzieren wir uns voneinander.“ Das gelte sowohl in Beziehungen als auch bei Freundschaften.
„Wenn man ins Restaurant geht, legt die Hälfte der Anwesenden erst einmal ihr Handy auf den Tisch.“ Echte Dialoge fehlten. Dabei sei Entschleunigung und Zeit füreinander wichtig. „In schwierigen Situationen fällt Menschen eher auf, dass sie zwar hunderte Facebook-Kontakte, aber keine echten Freunde haben. Sie fühlen sich einsam“, sagt Kühne.
Tatsache ist, dass die meisten Menschen Neue Medien nutzen. „In der heutigen Zeit gelten nur wenige gesellschaftliche Konventionen, deshalb müssen Paare für sich selbst Regeln aufstellen“, fordert Barsfeld deshalb.
Er ist der Ansicht, dass eine Partnerschaft nicht zu sehr nach außen getragen werden sollte. „Der Sinn von Facebook ist es nicht, eine Partnerschaft zu zelebrieren.“ Was das Hochladen von gemeinsamen Fotos oder öffentlichen Liebesbekundungen angeht, gilt für ihn: „Der Vorsichtigere gibt den Takt vor.“ Denn es ist leicht, den Partner vor den Kopf zu stoßen. Besonders pikant: die sogenannte Statusangabe der Facebook-Profile. Dort können Personen angeben, ob sie verheiratet, verliebt, Single oder ähnliches sind. „Das führt zu wahren Dramen“, weiß Kühn. Dahinter stünden aber meist Ängste, die auch in Eifersucht ausarten können. In der Therapie lernen Patienten zu hinterfragen, wo Probleme liegen. Sie ist sicher: „Ohne Facebook ist eine Beziehung einfacher.“ Warum Partner in dem sozialen Netzwerk miteinander „befreundet“ sind und dort kommunizieren, versteht sie erst recht nicht: „Man kann den Partner doch theoretisch jeden Tag sehen und mit ihm sprechen, das muss nicht virtuell sein.“
Ein grundsätzliches Tabu ist das Lesen privater Nachrichten des Partners. „Die meisten Affären fliegen aber tatsächlich über die gute alte SMS auf“, sagt Barsfeld. „Doch auch die Polizei darf das Haus eines Verdächtigen nur bei einem schwerwiegenden Verdacht durchsuchen.“ Gleiches sollte beim Hinterherschnüffeln des Partners gelten. Das Vertrauen steht auf dem Spiel.