Der Einfluss von Büchern Dark Romance: Wie prägen die Romane unsere Beziehungen?

Berlin · Dark-Romance-Romane polarisieren mit düsteren Liebesfantasien, Machtspielen und Trigger-Themen. Die Geschichten können uns im Inneren aufwühlen - das birgt Gefahren, aber auch Chancen.

Dark Romance: Wie prägen die Romane unsere Beziehungen?
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Dark Romance boomt: Geschichten voller toxischer Beziehungen, Machtspiele und gefährlicher Leidenschaft ziehen vor allem junge Leserinnen und Leser in ihren Bann. Doch wo endet das harmlose Kopfkino und wo beginnt der Einfluss auf unser Selbstbild und Beziehungsverständnis?

Bekannte Beispiele aus dem Genre sind die Romantrilogie „Fifty Shades of Grey“ von E. L. James, das mit expliziten Macht- und Erotik-Dynamiken weltweiten Erfolg feierte, oder das Buch „Five Brothers“ von Penelope Douglas. Darin sind toxische Beziehungsmuster und emotionale Grenzüberschreitungen ein zentraler Bestandteil der Handlung.

Der Reiz des Verbotenen

„Ich denke, das ist der Reiz des Verbotenen oder die Erotisierung des Tabuisierten“, sagt der Psychologe Robert Coordes zum Erfolg dieser Werke. Gerade für junge Menschen könne darin ein besonderer Kick liegen - besonders dann, wenn sie selbst noch keine Beziehungserfahrungen gesammelt hätten.

Aber: Wenn solche Inhalte zur dominierenden Quelle für Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft würden, bestehe die Gefahr, „dass man die Idee gewinnt, dass das normal ist, dass das die Regel ist“, so Coordes.

Tiktok-Trend trifft innere Drehbücher

Andrea Müller arbeitet als Programmleiterin Unterhaltung beim Piper Verlag, der über seine Verlagstochter Everlove unter anderem den Douglas-Roman „Five Brothers“ verkauft. Müller beobachtet eine wachsende Nachfrage nach Dark Romance - verstärkt durch Plattformen wie Tiktok. Die Leserinnen und Leser sieht sie als reflektiert und in der Lage, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden.

Doch Psychologe Coordes sieht genau darin einen Knackpunkt: Medienkonsum finde nie im luftleeren Raum statt, erklärt er. „Alles, was wir lesen oder konsumieren, findet irgendwo Anknüpfpunkte in uns.“ Je nach Biografie könnten Geschichten über Kontrolle, Manipulation oder Gewalt etwas in uns berühren - bewusst oder unbewusst.

Wenn Fiktion zur Realität wird

Besonders in der Kindheit und Jugend entwickelt man laut Coordes sogenannte „innere Drehbücher“ - tief verankerte Muster darüber, was etwa Liebe, Sexualität und Beziehungen bedeuten. Diese entstünden durch Vorbilder, Medienbilder - und eben auch durch Literatur.

Wenn jemand ausschließlich bestimmte Beziehungsmuster gelernt habe, werde er reale Begegnungen im späteren Leben vermutlich durch ebendiese Brille wahrnehmen, so der Psychologe. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass jemand eine ruhige und liebevolle Beziehung als seltsam oder „zu langweilig“ empfindet - einfach weil er oder sie aus früheren Erfahrungen gelernt hat, dass Nähe immer mit Streit, Drama oder Unsicherheit verbunden ist.

Zwischen Warnhinweisen und Selbstverantwortung

Verlage wie Piper reagieren auf die Diskussion: Laut Programmleiterin Müller sind Dark-Romance-Bücher wie „Five Brothers“ klar gekennzeichnet, tragen Inhaltswarnungen und teilweise Ü18-Sticker. Auch im Buchhandel werde auf eine deutliche Trennung zu Jugendbüchern geachtet, betont sie.

Dennoch mahnt Robert Coordes zur Achtsamkeit - besonders bei jungen Leserinnen und Lesern. Vor allem Kinder und Jugendliche vor der Pubertät sollten nicht unreflektiert mit solchen Stoffen konfrontiert werden, da sich deren Bedürfnis- und Motivationsstruktur noch in der Entwicklung befinde, rät er.

Irritation als Chance zur Reflexion

Gleichzeitig sieht der Psychologe auch Potenzial: Wer sich fragt, warum ihn bestimmte Inhalte anziehen oder abstoßen, könne sich selbst besser verstehen lernen. „Was berührt mich daran in mir persönlich?“, sei die entscheidende Frage. Die Irritation könne helfen, verdrängte oder unbewusste Anteile der eigenen Geschichte zu erkennen - auch wenn das nicht immer angenehm sei.

„Das Störende weist uns hin auf vergessene Aspekte in uns - und das ist durchaus positiv“, sagt Coordes. In dieser Auseinandersetzung könne Dark Romance auch ein Auslöser für Entwicklung sein.

Fazit: Lesen mit Bauchgefühl

Dark Romance ist mehr als nur ein Trend - es kann ein Spiegel sein. Für manche ein Safe Space zum Fantasieren, für andere ein riskantes Spiel mit inneren Mustern. Entscheidend ist, was das Gelesene im Inneren auslöst.

© dpa-infocom, dpa:250427-930-471794/1

(dpa)