Rassistische Äußerungen Ein bisschen Hass muss sein? Hetze bei Youtube und Co.
Berlin (dpa/tmn) - Der Feind versteckt sich, aber Pewdiepie hat ihn im Visier. Er legt an und schießt. Der Gegner rennt weg, hechtet hinter ein Auto.
Pewdiepie feuert noch mehrfach, trifft aber nicht. Frust kommt auf. „What a fucking...“, schimpft er in sein Mikrofon - gefolgt von einem englischen Schimpfwort für Schwarze, das weithin geächtet ist.
In der Online-Welt mancher Videospiele sind solche Ausdrücke trauriger Alltag. „Pewdiepie“, der eigentlich Felix Kjellberg heißt, ist aber nicht irgendein Videospieler - sondern ein Superstar. Auf Youtube hat er mehr als 57 Millionen Abonnenten, fast jeder seiner Videos und Live-Streams wird von Tausenden Fans gesehen.
Und Kjellberg ist zwar der größte, aber längst nicht der einzige Youtube-Star, dem solche Entgleisungen unterlaufen - vor einem oft jungen Publikum. Auch in Deutschland gibt es Youtuber, die unbekümmert-uninformiert über heikle Themen wie Abtreibung reden, Schimpfwörter wie „Zigeuner“ brüllen, frauenfeindliche Sprüche klopfen oder in Wehrmachts-Uniformen auftreten.
Welche Wirkung hat das auf Minderjährige, die solche Videos sehen? „In der Marketing-Sprache rangieren viele Youtuber als „Influencer““, erklärt Kristin Langer von der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht“. Wörtlich übersetzt ist ein Influencer ein „Beeinflusser“. Und das ist auch korrekt, sagt die Expertin. „Kinder und Jugendliche sind in dem Alter, in dem sie über diesen Kanal Videos konsumieren, oft sehr offen und empfänglich für Beeinflussung.“
Die Frage ist nur: Wie groß ist das Problem eigentlich? Denn für jeden Youtuber, der rassistischen oder sexistischen Unfug verbreitet, gibt es vermutlich zehn völlig harmlose Videostars - und immer wieder genug Akteure, die sich mit deutlichen Worten gegen Hass und Hetze positionieren. „Auf Youtube sind grundsätzlich alle Meinungen zu finden, die Sie auch in der Gesellschaft finden“, sagt Medienpädagoge und Ratgeber-Autor Björn Friedrich.
Allerdings findet sich unter den vermeintlichen Hassvideos auch viel pubertäre Provokation, die nicht immer ganz ernst gemeint ist - ähnlich wie im Hip-Hop. „In Jugendkulturen hat oft alles, was nicht „political correct“ ist, eine gewisse Coolness“, erklärt Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Nicht immer kommt das aber auch so an. „Gerade bei Youtubern, die ein großes Publikum haben, gibt es dann aber immer Zuschauer, die solche Ironie nicht verstehen“ sagt Dittrich.
Gibt es Ärger um Videos, lautet die Entschuldigung trotzdem oft „Das ist Satire!“ - von deutschen Youtubern in Wehrmachts-Uniformen ebenso wie von Pewdiepie. Eltern sollten ihre Kinder dazu befähigen, solche Äußerungen kritisch einzuordnen.
Dafür ist es unumgänglich, dass sich Eltern selbst mit dem beschäftigen, was ihre Kinder auf Youtube anschauen - auch wenn es weh tut. Denn auch völlig harmlose Videos entsprechen in ihrer Machart oft so gar nicht den Sehgewohnheiten älterer Generationen. Aber da müssen Eltern durch, sagt Friedrich: „Wenn es möglich ist und das Kind es zulässt, sollte man wenigstens gelegentlich mit- oder auch reingucken.“
Und wenn in den Videos tatsächlich problematische Inhalte auftauchen? Dann hilft nur reden, erklären, diskutieren - nicht nur über Rassismus, sondern vielleicht auch über die oft erstaunlich gestrigen Geschlechterrollen in manchen Videos.
Im Idealfall können Eltern ihren Kinder so auch zeigen, wie man echten Dreck erkennt - also nicht nur fehlgeleitete Satire oder unreflektierte Provokation, sondern echte Nazi-Propaganda. Die funktioniert im Netz oft nach dem Prinzip Trojanisches Pferd, erklärt Langer: „Da werden Themen wie Tierschutz oder Kindesmissbrauch als Aufhänger genommen, um Aufmerksamkeit zu bekommen und dann Hetze zu verbreiten.“
Wie fruchtbar der Nährboden ist, auf den Rassismus bei Kindern fällt, hängt vor allem von ihrem Umfeld ab - also davon, welcher Umgangston und welche Meinungsvielfalt ihren Alltag bestimmen. „Ich muss als Eltern nicht jede einzelne Äußerung kennen - auch wenn es gut wäre, mir ein konkretes Bild darüber zu machen“, sagt Kristin Langer. „Aber ich kann die Haltung kommunizieren, dass man respektvoll miteinander umgehen sollte.“