Gewalt gegen Kinder: Eltern dürfen Schläge nicht rechtfertigen
Bielefeld (dpa/tmn) - Körperliche Gewalt gegen Kinder sollte tabu sein. Für fast ein Viertel sind Schläge aber eine alltägliche Erfahrung. Erwachsene müssen in solch einem Fall ihr Verhalten ansprechen und dem Kind deutlich machen: Du hast keine Schuld daran.
Eine Ohrfeige oder ein Tritt: Gehen Eltern so mit ihrem Kind um, geschieht das häufig aus Überforderung. In einer solchen Situation ist es wichtig, dass Erwachsene den Vorfall nicht im Raum stehen lassen. „Das Kind ist verstört und irritiert. Deshalb müssen Eltern das Ganze aufarbeiten“, sagt Prof. Holger Ziegler, Erziehungswissenschaftler an der Uni Bielefeld. Am wichtigsten sei zunächst eine Entschuldigung, in der Mutter und Vater zwei Dinge klar machen: „Es ist nicht deine Schuld“ und „Das war ein Fehler, und es gibt dafür keine Rechtfertigung“.
In jedem Fall sollten Eltern die Dinge klar beim Namen nennen. Das Kind muss verstehen, was den Erwachsenen leidtut - ein vages „Das was da vorhin passiert ist“ könnten Sohn oder Tochter oft nicht nachvollziehen. Mit einer ernst gemeinten Entschuldigung ist es Ziegler zufolge allein aber nicht getan: „Das Kind muss merken, dass es Konsequenzen gibt.“ Das bedeutet: Wort halten. Haben Erwachsene versprochen, dass ihnen in Zukunft nicht mehr die Hand ausrutschen wird, müssen sie es einhalten. „Kinder sind sehr sensibel gegen gebrochene Versprechen“, sagt Ziegler.
Verlässlichkeit sei das A und O. Wenig sinnvoll seien dagegen materielle Wiedergutmachungen: „Eltern können sich nicht freikaufen.“ Das Eis oder der Kinobesuch nach der Ohrfeige sorgten nicht dafür, dass sich das Kind besser fühle.
Laut einer Studie der Universität Bielefeld im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung ist fast jedes vierte Kind (22 Prozent) in Deutschland von körperlicher Gewalt betroffen. So viele gaben bei einer Befragung an, von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen zu werden. Besonders betroffen sind Mädchen und Jungen aus armen Familien. Neben Schlägen erleben Kinder auch verbale Missachtung: Ein Viertel aller Befragten (25 Prozent) hat die Erfahrung gemacht, von Erwachsenen als „dumm“ oder „faul“ beschimpft zu werden. Für die Erhebung wurden 900 Kinder zwischen 6 und 16 Jahren befragt.
Entschuldigungen von Erwachsenen funktionierten nur dann, wenn es sich bei der Handgreiflichkeit um eine Ausnahme handelt. „Passiert das regelmäßig, macht ein "Tut mir leid, ich hab dich doch lieb" es nur noch schlimmer“, warnt Ziegler. Für Kinder seien das doppelte Botschaften: Sie wüssten nicht, woran sie sind.
Eskalieren Konflikte regelmäßig, helfen Erwachsenen keine gut gemeinten Ratschläge wie „Geh das nächste Mal doch kurz vor die Tür und atme durch“. Nur professionelle Hilfe könne dann greifen. „Am besten ist es, wenn jemand in die Familie kommt und in der jeweiligen Situation eingreift“, sagt Ziegler. Alternativ könnten Eltern niedrigschwellige Angebote wie eine Erziehungsberatungsstelle nutzen. „Eltern merken es genau, wenn sie überfordert sind. Sie haben das Gefühl, sie scheitern in ihrer Elternrolle.“ Dementsprechend schwer falle es ihnen, sich Freunden oder Verwandten anzuvertrauen.