„In ihrem Bauch wart ihr“ - Zwillinge von der Leihmutter

Berlin (dpa) - Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten. Deshalb müssen viele ungewollt Kinderlose ihr Glück im Ausland suchen. Sara und Sven sind diesen Weg gegangen: Ihre Zwillinge werden bald eingeschult.

Foto: dpa

Einziges Problem: Sie haben keine deutschen Papiere.

Sara kann nur den Kopf schütteln über den Fall des behinderten Babys Gammy, das in Thailand von einer Leihmutter geboren und von den biologischen Eltern zurückgelassen wurde. „So etwas könnte nicht passieren, wenn die rechtliche Situation geklärt wäre“, sagt die 43-Jährige. Die schlanke blonde Frau kennt sich aus: Ihre Zwillinge hat eine Leihmutter in den USA zur Welt gebracht.

Sara erkrankte mit 30 Jahren an Krebs, ihre Gebärmutter wurde entfernt. Der Kinderwunsch blieb. Mit ihrem Mann Sven, heute 42, versuchten sie erfolglos eine Adoption. Dann entschied sich das Paar für leibliche Nachkommen mit Hilfe einer Leihmutter aus Kalifornien. „Meine Eierstöcke waren noch intakt“, sagt Sara.

Sie und ihr Mann, leitende Angestellte, leben im Westen Deutschlands, das Paar will anonym bleiben. Hierzulande ist Leihmutterschaft verboten. In den USA ist sie in einigen Staaten legal. In Kalifornien vermitteln etliche Agenturen Wunscheltern und Leihmütter. Alles wird vertraglich geregelt: Die leiblichen Eltern unterschreiben, dem ungeborenen Leben mit allen Rechten und Pflichten beizustehen. Die Leihmutter tritt alle Ansprüche an dem Nachwuchs ab.

„Aus rechtlichen und moralischen Gesichtspunkten kam für uns kein anderes Land infrage“, sagt Sara. Ihnen sei wichtig gewesen, dass die Leihmutter nicht ausgebeutet wird. Auch die Sprache war ein Kriterium: „Ich wollte mich mit ihr austauschen können“, sagt Sara.

Die Wahl auf Denise fiel schnell. Die Afroamerikanerin, damals 25, Röntgenassistentin, zwei eigene Kinder, war ihnen gleich sympathisch, als sie ihr Profil geschickt bekamen. Es folgten E-Mails, Telefonate, schließlich reiste das Paar in die USA. Dort wurden Saras Eizellen mit Svens Sperma befruchtet und in Denise' Gebärmutter eingesetzt.

Die Leihmutter hatte psychologische Tests durchlaufen und ein eigenes Einkommen nachweisen müssen. Für das Austragen der Kinder bekam sie 25 000 Dollar Basisgehalt, dazu 15 000 Dollar Zwillinge-Bonus, Kaiserschnittkompensation und Sonderposten wie Umstandsmode. Sara und Sven bezahlten außerdem noch die Agentur, Ärzte, Medikamente, Anwälte, Reisen. Kosten insgesamt etwa 100 000 Dollar (umgerechnet etwa 75 000 Euro).

Sechs Jahre ist es her, dass Maximilian und Jill das Licht der Welt erblickten. Sara war bei der Geburt dabei. Nach den Sommerferien werden die Zwillinge eingeschult, die Familie ist glücklich. „Uns geht es wirklich gut, weil wir aber auch sehr offen damit umgehen“, sagt Sara. „Jeder, der uns kennt, weiß um die Entstehungsgeschichte unserer Kinder, unsere Kinder wissen das, und wir pflegen weiterhin sehr engen Kontakt zu unserer Leihmutter.“

Denise war schon drei Mal in Deutschland, nächstes Jahr will die Familie sie nochmals in den USA besuchen. Man skypt, mailt, schickt sich Fotos. „Das Geld hat nur eine untergeordnete Rolle gespielt“, hatte die Leihmutter in einem früheren Interview gesagt. Ihr sei wichtig gewesen, dass das Paar aus medizinischen Gründen keine Kinder haben kann. Außerdem wurden nicht ihre eigenen Eizellen verwendet.

Die Zwillinge wachsen auf mit dem Wissen, dass sie von einer Leihmutter geboren wurden. „Ich habe meinen Kindern immer gesagt: 'In ihrem Bauch wart ihr'“, erzählt Sara. „Es ist wichtig, dass ich ihnen sagen kann: Sie hat uns geholfen, ohne sie wärt ihr nicht da.“ Familie, Freunde, der Kindergarten: Alle seien eingeweiht. „Ich gehe nicht zu jedem und erzähle es. Aber wenn es sich ergibt, dann rede ich darüber“, sagt Sara. Viele reagierten erst erschrocken, könnten es dann aber nachvollziehen.

Problematischer ist die Rechtslage: Maximilian und Jill haben amerikanische Geburtsurkunden, die in deutschen Standesämtern nicht anerkannt werden. Viele Stellen hinterfragten nicht, ob sie die Eltern seien, sagt Sara. „Wenn wir aber den Stempel aufgedrückt bekämen, rechtlich nicht Vater und Mutter zu sein, dürften wir für unsere Kinder keine Entscheidungen treffen.“ Dann könnte sogar ein Vormund einberufen werden.

„Ich will, dass die Situation geklärt ist“, fordert Sara. „Wir sind rechtlich nicht Mutter und Vater, obwohl wir biologisch Mutter und Vater sind. Das ist doch Wahnsinn.“ Nach dem deutschen Gesetz ist nur Mutter, wer das Kind ausgetragen hat. Der andere Weg wäre eine Adoption - in Saras und Svens Fall die der eigenen Kinder.

Sara will bald im Standesamt eine Nachbeurkundung beantragen, um auch deutsche Geburtsurkunden für ihre Kinder zu bekommen. Sollten diese verweigert werden, will sie sich auf ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) berufen: Dieses gab jüngst zwei unfruchtbaren französischen Ehepaaren Recht, die in den USA mit Hilfe legaler Leihmütterverträge Kinder bekommen hatten. Damit können die Eltern nun französische Geburtsurkunden einklagen. Gezeugt wurden die Kinder mit den Spermien der Ehemänner und Eizellen anonymer Spenderinnen. Auch in Frankreich ist Leihmutterschaft verboten.

Der Gesetzgeber müsse sich mit der Reproduktionsmedizin befassen, das Embryonenschutzgesetz von 1991 sei überholt, meint Sara. „Damals hat man nicht geahnt, was alles machbar ist.“ Stattdessen hielten sich die Staaten mit Regelungen zurück und verlagerten so das Problem in rechtliche Grauzonen - was zu Fällen wie dem von Gammy führe.

- Alle Namen im Text wurden auf Wunsch der Familie geändert.