„Jetzt bin ich mit Helfen dran“ - Männer pflegen Angehörige

Altshausen (dpa) - Anziehen, Frühstück machen, Einkaufen gehen: Helmut Maierhofer pflegt seit mehr als zehn Jahren seine Ehefrau. Als Mann ist er damit noch immer in der Minderheit. Doch die Zahl pflegender Männer nimmt zu - und sie können das ziemlich gut, sagen Experten.

Beim letzten Sturz brauchten sie keine Hilfe von Nachbarn oder Freunden. „Wir haben das ganz allein wieder hingebracht“, sagt Helmut Maierhofer. Seine Frau Gretel hat Parkinson, oft wird ihr schwindlig, manchmal verliert sie kurz das Bewusstsein. Am Tag zuvor war es wieder so: Die 80-Jährige stürzte im Flur und kam alleine nicht wieder hoch. „Ich habe meine Füße gegen ihre gestemmt, und zusammen haben wir es dann geschafft“, sagt Helmut Maierhofer. Er schaut zu seiner Frau, und sein Blick wird ganz weich. Haarfeine Lachfältchen legen sich um seine Augen. „Wir haben gestrahlt und uns umarmt.“

Männer, die wie Helmut Maierhofer zu Hause Angehörige pflegen, sind noch immer in der Minderheit. Auf rund 35 Prozent schätzt der Soziologe Manfred Langehennig ihren bundesweiten Anteil. Allerdings werde ihre Zahl auch sehr oft unterschätzt, sagt der Frankfurter Professor. „Sowohl Praktiker, als auch Wissenschaftler äußern immer wieder ihre "Überraschung", wenn sie auf entsprechende Daten stoßen.“ Pflege sei nach wie vor weiblich konnotiert.

Helmut Maierhofer aus Altshausen i9n Baden-Württemberg kümmert sich seit mehr als zehn Jahren um seine Frau. Parkinson ist die häufigste nervenbedingte Bewegungsstörung bei älteren Menschen, rund 280 000 Menschen sind nach Angaben der Deutschen Parkinson Vereinigung bundesweit davon betroffen. Bei der unheilbaren Krankheit sterben Nervenzellen ab, die Kontrolle über Gliedmaßen geht verloren.

Bei Gretel Maierhofer ging es ganz langsam los. Sie habe etwas gezittert, sich aber noch immer um Garten und Haushalt gekümmert, sagt ihr Mann. Inzwischen ist die Krankheit weiter fortgeschritten. „Es gibt gute Tage und nicht so gute Tage“, sagt der Rentner. Die Gartenarbeit kann sie längst nicht mehr machen, auch das Kochen hat Gretel Maierhofer aufgegeben - die beiden bekommen „Essen auf Rädern“.

Ihr Mann hilft beim Aufstehen und Anziehen, bereitet das Frühstück, macht die Einkäufe, fährt zum Supermarkt und in die Apotheke. Er schimpft mit ihr, wenn sie mal wieder zu schnell aufgestanden ist und ermahnt sie, wenn sie ihren Gehstock vergessen hat. Und er behält den Überblick, was erledigt werden muss. Bevor am Mittag das Essen geliefert wird, kümmert er sich zum Beispiel darum, dass das Geschirr vom Vortag zum Abholen bereitsteht.

Männer würden öfter als Frauen auf Hilfen von außen zurückgreifen, sagt Langehennig, der kürzlich eine Studie zum Thema „Männer in der Angehörigenpflege“ veröffentlicht hat. Bestimmte körperbezogene Hilfen - vor allem die Körper- und Intimpflege - würden beispielsweise oft von Profi-Diensten übernommen. Auch bei Maierhofers: Geduscht wird mit Hilfe der Sozialstation.

Der gelernte Schmied und Elektroschweißer könnte die Versorgung seiner Frau auch ganz ablehnen, sie in professionelle Hände geben und jeden Tag besuchen. Sein Umfeld - Familie, Freunde, Nachbarn - würde wahrscheinlich mit Verständnis reagieren. Männer könnten die Pflege leichter ablehnen, ohne Sanktionen fürchten zu müssen, sagt Langehennig. Von einer guten Ehefrau, Tochter oder Schwiegertochter wird dagegen eher erwartet, dass sie sich - so lange es geht - um den Angehörigen kümmert.

Wer sich als Mann für die Pflege entscheide, erfahre daraus trotz der Belastung auch mehr Zufriedenheit. Männer umschrieben Pflege eher in Begriffen der Liebe, Frauen als Pflichtaufgabe, heißt es in der Studie von Langehennig. Helmut Maierhofer sagt: „Meine Frau hat mir soviel geholfen, jetzt bin ich mal dran.“ Die Pflege nehme er nicht als Belastung wahr. Seit 47 Jahren sind die beiden verheiratet. Die beiden Söhne sind längst erwachsen und wohnen etwas weiter weg.

„Man darf nicht nur die Krankheit sehen“, sagt Maierhofer. „Parkinson ist schlimm. Aber man lebt ja auch noch miteinander.“ Oft kommen die Schwester oder Freunde vorbei - und dann hätten sie ja noch einander. „Wir reden viel“, sagt der 78-Jährige. Besuche beim Stammtisch des Kleintierzuchtvereins sind zwar selten geworden. Aber in der vergangenen Woche war er immerhin seit langem mal wieder beim Nachbarn zum Kaffee.