Kompromisse und Respekt - Weihnachten mit getrennten Eltern feiern

Berlin (dpa/tmn) - Weihnachten ist das Fest der Familie. Aber manchmal kann es so richtig stressig werden. Besonders wenn die Eltern getrennt sind. Heiligabend bei Papa, am ersten Weihnachtstag bei Mama - und dann müssen auch noch alle Großeltern, Tanten und Onkel besucht werden.

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Und wer fragt mal nach den Kindern? Oft wird man einfach herumgereicht. Aber muss man als Scheidungskind alles so hinnehmen? „Man darf nicht vergessen, Weihnachten ist auch nur ein Tag von 365 Tagen im Jahr“, sagt Dörte Foertsch vom Berliner Institut für Familientherapie (BIF). Aber dieser ist besonders emotional. „An Weihnachten kommen immer viele Themen auf den Tisch. Man sollte vor dem Fest darüber sprechen.“

Die Familientherapeutin empfiehlt eine pragmatische Lösung. Eine eindeutige Regelung ist hilfreich. Beispielsweise dass man jedes Jahr bei einem anderen Elternteil Heiligabend feiert. „So hat man ein gutes Argument, wenn sich die Eltern nicht an die Regelung halten.“ Vor allem dann, wenn Tränen fließen und der ewige Loyalitätskonflikt wieder aufflammt.

Für Psychologin Svenja Lüthge ist es okay, wenn Jugendliche in Scheidungsfamilien ein bisschen egoistisch sind: „Man sollte sich fragen, wo man am liebsten Heiligabend feiern würde. Und diesen Wunsch darf der Jugendliche auch aussprechen.“ Lüthge empfiehlt ein gemeinsames Gespräch, damit beide Elternteile gleich eingebunden sind und sich keiner benachteiligt fühlt. „Am besten, man spricht offiziell eine Einladung aus.“ So bekommt das Thema gleich eine ganz andere Bedeutung.

Für solche Gespräche gilt immer: rechtzeitig planen. Nicht dass die Eltern einen Tag vor Weihnachten mit einem spontanen Gespräch komplett überfordert sind. Auch sie müssen sich an die Situation gewöhnen. „Es ist wichtig, dass man als Kind klipp und klar sagt, was man sich wünscht.“ Wichtig ist es dabei, respektvoll miteinander umzugehen. Für alle aus der Familie heißt es Kompromisse schließen. Und das müssen Kinder genauso wie Eltern.

Auch wenn die neue Freundin von Papa zickig und richtig nervig ist, sollte man die Situation unterm Weihnachtsbaum nicht eskalieren lassen, findet Beate Berg-Haller von Pro Familia. „Das Wichtigste ist, mit den Eltern Zeit zu verbringen.“ Dann heißt es: für ein paar Stunden die Zähne zusammenbeißen und den Ärger über die Freundin später rauslassen. Eine Runde Joggen, durchatmen oder mit den Freunden telefonieren kann da schon helfen. „Das hat auch etwas mit Respekt zu tun, wenn man nicht immer seinen Gefühlen freien Lauf lässt.“

Mit dem Vater sollte man jedenfalls trotzdem in einer ruhigen Minute über seine Freundin sprechen. Das hat ja nicht nur etwas mit Weihnachten zu tun. Berg-Hallers Tipp: Zusammen außerhalb etwas trinken gehen. Dann kann keiner stören. „Dabei gilt: Immer zuhören und den anderen aussprechen lassen, damit man gemeinsam eine Lösung finden kann.“

Für das akute Weihnachtsproblem mit unausstehlichen Stiefmamas und -papas hat Lüthge einen weiteren Ratschlag: „Wenn der neue Partner wirklich mit dabei sein muss, können Rituale helfen.“ Wenn Mama immer schon genau das eine Weihnachtsdessert gemacht hat oder immer genau die eine Geschichte erzählt hat, sollte das auch so bleiben. „Dann kann man sich auf etwas freuen.“

Am wichtigsten ist es, über seine Gefühle zu sprechen. Das muss nicht immer mit den Eltern sein. Eine Person, bei der man sich verstanden fühlt, kann da die richtige Gesprächspartnerin sein. Beate Berg-Haller rät, mit den Freunden darüber zu sprechen. In der Clique kann man Wut und Ärger ablassen. „Fast jede zweite Ehe wurde geschieden. Da gibt es bestimmt den einen oder anderen, dem es genauso geht.“

Und manchmal kann solch ein zusammengewürfeltes Weihnachtsfest auch eine Chance sein. Die ständige Anspannung zwischen den Eltern ist weg, und man kann den Feiertag wirklich nur mit Mama oder Papa verbringen. „Viele Kinder lernen ihre Eltern nach einer Scheidung ganz neu kennen“, sagt Dörte Foertsch. Und vielleicht ist die neue Freundin von Papa nach einem Weihnachtsfest auch nicht mehr ganz so nervig.