„IQB-Bildungstrend 2015“ Schüler-Vergleichstest überrascht
Berlin (dpa) - Wenn sich Deutschlands Schüler durch die Bank „in allen Ländern“ verbessern, dann lässt das im Bildungsföderalismus aufhorchen. So hob die Kultusministerkonferenz (KMK) diesen Erfolg - „enorme Fortschritte“ im Fach Englisch bei den Neuntklässlern von Flensburg bis Passau - auch hervor.
Im deutschen Bildungssystem sieht es jedoch nicht überall so glanzvoll aus. Wichtige Erkenntnisse aus dem 544-seitigen Report des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB):
Ländervergleich: Der „IQB-Bildungstrend 2015“ liefert Anlass für Triumphgefühle, Tristesse - und vieles dazwischen. Das streng leistungsorientierte Bayern bleibt an der Spitze, wird im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2008/2009 aber hier und da von Sachsen oder Schleswig-Holstein überholt. Diese beiden Länder - CDU-geführt das eine, rot-grün das andere - sind Aufsteiger des Kompetenztests. Dramatisch wirkt der Absturz Baden-Württembergs in der Tabelle - dafür werden von manchen Experten grün-rote Schulexperimente verantwortlich gemacht. Das große Flächenland Nordrhein-Westfalen schwächelt weiter, die Stadtstaaten Bremen und Berlin mit vielen Migrantenkindern tragen immer noch allzu oft die Rote Laterne.
Überraschungen - positiv und negativ: Einzelne Ausreißer mit guten Platzierungen im IQB-Ranking schafften die Ost-Länder (Lesekompetenz Deutsch), das Saarland und Rheinland-Pfalz (Rechtschreibung Deutsch), Mecklenburg-Vorpommern und Hessen (Leseverständnis Englisch) und Hamburg (Hörverständnis Englisch). Dass Sachsen bei der Lesekompetenz im Fach Deutsch so klar vor den anderen Ländern (und meilenweit vor Schlusslicht Bremen) rangiert - das war nicht zu erwarten. Ebenso wenig die langen Minus-Balken für das „Ländle“ mit dem Wahlspruch „Wir können alles - außer Hochdeutsch“. In Baden-Württemberg ging der Anteil der Schüler, die in Deutsch den Regelstandard für Lese- und Zuhörkompetenzen erreichten, „signifikant zurück“, hieß es.
Erfolgserlebnisse in Englisch: Flächendeckend in Deutschland, aber insbesondere in den Ost-Ländern wurden hier „große Fortschritte im Vergleich zu 2009 erzielt“, hebt die KMK hervor. Auch wenn sich der Trend in manchem Tabellenranking nicht so deutlich niederschlägt - dies ist nach gut 25 Jahren der Deutschen Einheit ein pädagogischer Erfolg. Das schwache Abschneiden der Ost-Schüler in der Fremdsprache wurde gern auf die unterentwickelte Bedeutung des Englischunterrichts in der DDR und den Mangel an guten Lehrern zurückgeführt. Nun weist IQB-Chefin Prof. Petra Stanat lobend darauf hin, dass Ost-Länder ihre Englischlehrer zur Weiterbildung nach Kanada schicken. Bundesweit erreicht ein solider Anteil der Neuntklässler (gut 40 Prozent) ein Jahr vor dem Mittleren Schulabschluss die gültigen Regelstandards.
Die Richtung stimmt bei der Rechtschreibung: Als positiv heben die Bildungsminister hervor, dass bundesweit zwei von drei Schülern der 9. Klassen (66 Prozent) die Regelstandards in deutscher Orthografie schon ein Jahr vor dem Mittleren Schulabschluss schaffen. Zwar sei bundesweit der Anteil kompetenter Schüler im Bereich Rechtschreibung lediglich „stabil geblieben“ - doch einige Länder zeigten hier positive Trends, etwa Hamburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Nachholbedarf bei Integration: Der beschämend enge Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland ist seit dem „PISA-Schock“ vor 15 Jahren ein Mega-Thema der Schulpolitik. Die KMK redet nicht drum herum: Es bleibe „eine wichtige Aufgabe“, auf diesem Feld voranzukommen. Im Deutsch-Kompetenzbereich Lesen seien freilich die auf sozialen Hintergründen basierenden Unterschiede „bundesweit signifikant verringert“ worden. Auch sei die Differenz zwischen Schülern mit und ohne zugewanderten Eltern im Fach Englisch kleiner geworden. Alles in allem fühlen sich die meisten Schüler in ihrer Klasse der IQB-Studie zufolge wohl: „Die Ergebnisse zeigen, dass das Zugehörigkeitsgefühl insgesamt hoch ausgeprägt ist“ - dies gelte für Schüler mit und ohne Migrationshintergrund.
Streitthema Schulreformen: Baden-Württembergs Bildungs-Flop führt im Land selbst bereits zu hitzigen Debatten über ein Herumdoktern am Schulsystem. IQB-Leiterin Stanat sagt, grundsätzlich brächten Strukturreformen Unruhe ins System. „Man muss schon sehr, sehr gute Gründe haben, um eine Schulstruktur anzufassen.“ Für das „Ländle“ gehe die Tendenz freilich schon längere Zeit nach unten. Deshalb habe sie große Zweifel, dass die vor Ort so umstrittene Einführung der Gemeinschaftsschule Hauptgrund für den aktuellen Ranking-Einbruch ist. Hamburgs SPD-Schulsenator Ties Rabe meinte, es sei schwierig für Lehrer, sich auf ihren Unterricht zu konzentrieren, wenn ständig die Schulen umgebaut würden. Auch Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) warb für „Systemkonstanz“ - Verlässlichkeit sei sehr wichtig.