„Sheriff“, „Maier“, „Milka“: Ämter lehnen Namen seltener ab
Berlin (dpa) - „Cinderella-Melodie“ oder „Imperial-Purity“: Manche Eltern wollen für ihr Kind einen ausgefallenen Namen. Bei deutschen Standesämtern haben die immer häufiger eine Chance. Das ergab eine bundesweite Umfrage.
Ein Vorname wie „Pumuckl“ oder „Pepsi-Carola“ kann für ein Kind zur Qual werden - doch Deutschland ist offener geworden und bei Standesämtern werden ungewöhnliche Namenswünsche von Eltern immer seltener abgelehnt. In Essen etwa sagte das Standesamt zuletzt im Jahr 2007 Nein, als ein Junge „Anakin Skywalker“ heißen sollte. In Wiesbaden liegt die letzte Ablehnung 23 Jahre zurück. Auch in Münster lehnt das Standesamt nur selten ab: „Städtenamen zum Beispiel gehen nicht“, sagt Amtsmitarbeiterin Sarah Pröbsting. Bei der Kombination „Marie-Johanna“, die schnell gesprochen nach „Marihuana“ klinge, weise man Eltern nur darauf hin, dass der Name Probleme machen könne.
In Kiel dagegen gab es 2013 eine Ablehnung: Mit dem Antrag, ihr Mädchen „Gucci“ - nach der italienischen Luxus-Modemarke - zu nennen, kamen die Eltern nicht durch. Anders erging es dagegen einem Jungen, dessen Eltern sich den Vornamen „Maier“ für ihren Sohn wünschten - Mutter und Vater wiesen nach, dass „Maier“ durchaus ein üblicher männlicher Vorname sei, wenn auch in den Niederlanden.
Die Stadt Essen erlaubte 2013 unter anderem für eine Tochter den Namen „Milka“ sowie auch „Imperial-Purity“ sowie „Sunshine“. Zwei Jungs bekamen die Namen „Courage“ und „Sheriff“. In Hamburg sagt Bezirksamts-Sprecherin Lena Voß in Wandsbek, die multikulturelle Gesellschaft habe die Namensgebung geändert.
Einige Städte verweisen bei allzu Abstrusem auf die Namenberatungsstelle in Leipzig, das Namenkundliche Zentrum der dortigen Universität. Deren Webseiten listen Gerichtsurteile vergangener Jahre auf: So ging 1992 der Name „Lafayette“ durch - für einen Jungen, der noch einen weiteren männlichen Vornamen benötigte.
„Maha“ wurde als Name für ein Mädchen erlaubt; die kleine „Prestige“ und die kleine „Bo“ brauchen noch einen zweiten, eindeutig weiblichen Namen. „Fanta“ hingegen steht für sich alleine - für Mädchen natürlich.
Was fällt dann überhaupt noch durch? Antwort: „November“, „Pfefferminze“ oder „La Toya“. „Dior“ dagegen ist - anders als „Gucci“ in Kiel - erlaubt, sofern es enge Bindungen zum senegalesischen Kulturkreis gibt, denn da kommt der Name her. Ein Berliner Standesamt erlaubte auch „Chanel“ als Mädchenname.
In Wiesbaden wird ein Mädchen „Cinderella-Melodie“ gerufen. Das Standesamt hat den Namen durchgehen lassen, schließlich seien es zwei gültige Vornamen. „Und einen Bindestrich kann man immer machen“, sagt Mitarbeiterin Daniela Funk. „Auch wenn ich denke: Oh je.“
Gerhard Bangert vom Bundesverband der deutschen Standesbeamten und Standesbeamtinnen im osthessischen Bad Salzschlirf erklärt, dass die Rechtsprechung der Amtsgerichte großzügiger geworden sei - nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2008. Danach seien die Verwaltungsvorschriften angepasst worden. „Aber 'Satan' würde man immer noch ablehnen“, sagt Bangert. Nur noch zwei Einschränkungen gebe es: Der Name dürfe dem Kindeswohl nicht schaden und er müsse dem Wesen nach ein Vorname sein. Streitigkeiten seien inzwischen selten.
Und zwar weil die Standesämter beraten, sagt Andrea Hart, die Leiterin des Frankfurter Standesamts. Zum Beispiel habe man den Eltern, die ihre Tochter „Seniorina“ nennen wollten, davon abgeraten. Das heißt „Fräulein“ - zu wenig Name im Wort, fand das Standesamt. Aber „Osama“ oder „Adolf“ abzulehnen, sei nicht möglich, sagt Hart. Das Standesamt in Hannover gab auch bei „Despot“ seine Erlaubnis.
In Mainz sagt der Sprecher der Stadt, Ralf Peterhanwahr: „Es gibt sicherlich eine Zunahme von Anlehnungen an Kunstfiguren aus Film oder Literatur, wie etwa Momo oder Michel. Das sind immer Phänomene der Zeitgeschichte. Dadurch ist das Spektrum natürlich breiter als noch vor 50 Jahren, als die Menschen noch konservativer waren.“
Eine Rückbesinnung auf traditionellere Namen macht das Münchner Standesamt aus: „Der Trend geht zu traditionellen Namen zurück“, sagt Leiter Gerhardt Wirsing. Anton oder Charlotte seien populärer als so manche Namens-Neuschöpfung. Ungewöhnlich seien zum Beispiel „Crazy Horse“, „Peppels“ oder „Regen“ gewesen. Meistens hätten sich die Eltern jedoch einsichtig gezeigt.
Auch in Nürnberg gibt es fast nichts, was es nicht gibt. „Wir haben keine schwarzen Listen“, sagt Dagmar Heckel vom dortigen Standesamt. Für Verwunderung bei den Beamten hatte die fränkische Version von Jacqueline gesorgt. Doch „Schaklyn“ war offiziell genehmigt worden.
Im Südwesten schöpfen Eltern ebenfalls aus dem Vollen: „Bluebell“, „Nussi“ und „Cosmo“ sind nur drei Beispiele für Namen, die Standesbeamte in Baden-Württemberg erlaubten.
In Sachsens Landeshauptstadt Dresden häufen sich indes Bindestrich-Namen wie Rosa-Charlott oder Melodie-Mia für Mädchen und Noah-Jakob oder Dee-Jay für Jungen. Der Leiter des Standesamtes, Frank Neubert, sagt: „Was in manchen Ohren fremd und exotisch klingt, kann in anderen Gegenden ein gebräuchlicher Vorname sein.“ Dazu zählt er Moka und Jazz für Mädchen sowie Orlando und Filou für Jungs.