So meistern Paare den Altersunterschied

Hamburg (dpa/tmn) - Er könnte ihr Vater sein: Beziehungen mit großem Altersunterschied sind keine Aufreger mehr. Und doch werfen sie Fragen auf. Denn befinden sich Partner in unterschiedlichen Lebensphasen, wollen sie meist unterschiedliche Dinge.

Da hilft nur eines: reden.

Zuerst wirkt es vielleicht etwas befremdlich, wenn die Frau die Tochter ihres Partners sein könnte. Dazu gesellen sich Fragen wie „Was sucht die bei dem?“ oder „Braucht der was Frisches?“. In vielen Fällen ist es einfach Liebe. Doch ist das erste Hochgefühl vorbei, stellt sich vielleicht auch das Paar genau diese Fragen - und der Altersunterschied führt zu Unzufriedenheit, Unsicherheit und im schlimmsten Fall zur Trennung. Da sind Toleranz, Offenheit und Ehrlichkeit gefragt, nicht nur gegenüber dem anderen, sondern auch zu sich selbst.

„Das Hauptproblem ist, dass Partner mit einem Alterunterschied von mehr als 15, 20 Jahren ganz einfach in sehr unterschiedlichen Lebensphasen sind“, erklärt die Psychologin und Buchautorin Felicitas Heyne. Der eine denkt möglicherweise schon an die Rente, der oder die andere startet beruflich gerade erst durch. Der oder die Jüngere will noch Kinder, eine Familie gründen, der andere ist damit längst durch. Auch die Interessen liegen oft weit auseinander - wenn auch erst auf den zweiten Blick.

„Der Ältere hat möglicherweise keine Lust oder auch gar nicht mehr die körperlichen Voraussetzungen für einen sportlichen Aktivurlaub“, sagt der Hamburger Paartherapeut Jörg Wesner. Da sei es zwar eine romantische, aber eben unrealistische Vorstellung, dass man alles gemeinsam machen könne. „Man sollte sich schon klarmachen, dass der eine früher gebrechlich wird als der andere“, erklärt er.

Die logische Konsequenz sei, dass das Paar bei vielen Dingen getrennte Wege gehe. „Das allerdings setzt großes Vertrauen und auch einen gewissen individualistischen Charakter voraus“, sagt Wesner. Denn nicht jeder halte es aus, dass ein Teil des Partners nichts mit einem selbst zu tun habe. „Das Paar sollte unbedingt für genügend Paarzeit sorgen“, rät daher Felicitas Heyne. Und Wesner ergänzt: „Man sollte etwas Gemeinsames haben oder schaffen, damit es die Partnerschaft befruchten und tragen kann.“

Doch natürlich haben die Gegensätze und der Altersunterschied einen enormen Reiz. „Man sollte sich nur genau klarmachen, welche Bedürfnisse möglicherweise dahinter stecken“, sagt Anne Frische, Familien- und Paarberaterin in Münster. Der Mann fühle sich durch eine jüngere Frau möglicherweise wieder jung, erlebe noch einmal andere Dinge und gewinne neue Einblicke. Jüngere Frauen fühlten sich durch den älteren Partner sicherer oder verspürten das Gefühl, angekommen zu sein. „Doch diese Zeit des aufregenden Neuen und der frischen Verliebtheit hält nicht dauerhaft an“, sagt Frische.

Psychologin Heyne rät daher, die Dinge nicht einfach laufen zu lassen. „Eine solche Partnerschaft erfordert noch mehr Kommunikation, als es jede andere auch schon tut“, sagt sie. Deswegen sollten die eigenen Sorgen, Vorstellungen für die Zukunft und vielleicht auch Eifersucht offen angesprochen werden. „Es hilft nichts, wenn das jeder mit sich alleine ausmacht“, sagt sie. Und wenn einer der beiden blocke, führe das nicht zum Ziel.

Auch über Perspektiven für die Zukunft sollten Paare sprechen. „Gerade wenn einer der beiden noch Kinder möchte, der andere aber nicht, wird das auf Dauer immer die Beziehung belasten“, erklärt Heyne. Das seien schließlich existenzielle Entscheidungen. Gebe es in dieser Frage keine Einigung, sei eine Trennung manchmal unumgänglich.

Aussichtslos sind Beziehungen mit Altersunterschied dennoch nicht. „Wenn es gut geht, ist eine solche Partnerschaft eine ganz klare Win-Win-Situation“, sagt Paarberater Jörg Wesner. Denn die Partner könnten viel voneinander lernen. Das allerdings erfordere Arbeit, Toleranz und Verständnis. Denn unter Umständen setze der jugendliche Elan den anderen unter Stress, und die Gelassenheit und Erfahrung langweilten den jüngeren Partner irgendwann.

Vor allem dürfe die Machtverteilung nicht auf eine „Vater-Tochter-Beziehung“ hinauslaufen. Das sei auf Dauer ungesund, sagt Frische. „Wertschätzung, Interesse und Toleranz sind deutlich wichtiger als in Beziehungen mit gleichaltrigen Partnern.“ Denn die unterschiedliche Sozialisation und die sehr unterschiedlichen Lebensphasen machten vieles nicht mehr so selbstverständlich, wie es bei gleichaltrigen Paaren sei.