Größer, teurer, besser Wie viel bei Adventskalendern sein muss

Berlin (dpa/tmn) - So gut wie alle großen Spielwarenhersteller und Verlage haben sie im Angebot: Adventskalender mit 24 Geschenken. Statt Schokolade gibt es Spielzeugfiguren, kleine Bücher oder Plastiktiere.

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Mit dem letzten geöffneten Türchen haben Kinder wahlweise einen fertigen Bauernhof oder eine Armada für den Krieg der Sterne. Die Bandbreite reicht von der üppigen Luxusvariante bis zum bescheidenen Kalender, der nur Bilder zeigt.

Manche Eltern reagieren genervt auf die Fülle des Angebots und fragen sich, ob Kinder überhaupt einen Adventskalender brauchen. „Er ist sicherlich nicht notwendig für die Entwicklung eines Kindes“, sagt Bodo Reuser von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. „Allerdings bekommen Kinder natürlich mit, was um sie herum geschieht und Adventskalender gehören zu unserer christlichen Tradition.“ Die Kalender steigern die Vorfreude und veranschaulichen vor allem jüngeren Kindern die verbleibende Zeit bis zum 24. Dezember.

Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Leben im 19. Jahrhundert, als sich die Tradition entwickelte, und dem Alltag heute: Viele Eltern verbinden mit der Vorweihnachtszeit wenig Vorfreude - sie fühlen sich dem Konsumterror ausgeliefert. Gleichzeitig hat es laut Reuser jeder selbst in der Hand hat, dem Adventskalender seine ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben: „Familien können sich Zeit nehmen und in Ruhe überlegen, was ihrem Kind Freude macht.“

„Theoretisch klingt das prima, aber die Umsetzung im Alltag gelingt nicht immer“, erzählt Andrea Schäfer aus Berlin. Sie hat drei Söhne im Alter von 22, 17 und 5 Jahren. Sie und ihr Mann Ingo haben im Laufe der Zeit viele Adventskalender angeschafft - selbst gebastelte wie auch fertig produzierte. Schäfer erinnert sich noch lebhaft daran, wie sie für ihre ersten beiden Jungs jeweils einen Kalender aus Filz gebastelt und bestückt haben: „Der Abend vor dem 1. Dezember war dann richtig stressig, denn wir mussten 48 kleine Geschenke einwickeln.“ Bei ihnen war das ein Mix aus Süßigkeiten, Malutensilien oder auch Gutscheinen, zum Beispiel fürs Kino.

Nach einigen Jahren entschieden sich die Eltern aber für gekaufte Kalender, zumal die Söhne damals nicht immer zu würdigen wussten, wie liebevoll ihre Eltern gewerkelt hatten. „Manchmal ging es nur ums Auspacken, dann wurde der Inhalt schnell zur Seite gelegt.“

Oft sind bei gekauften Kalendern die Varianten mit Spielzeug sinnvoll. So können Kinder den Inhalt in ihre bestehende Spielzeugsammlung integrieren, und beschäftigen sich nicht nur zu Weihnachten damit.

Wer trotzdem auf gekaufte Adventskalender verzichten möchte, kann bestimmte Rituale in der Vorweihnachtszeit etablieren: So hält es auch das Team des Waldkindergartens am Löwen im Berliner Südwesten. Neben einem Adventskalender mit Nüssen und ein paar Süßigkeiten trägt jedes Kind ein Stück zur Weihnachtsstimmung bei: „Bei uns entsteht vor Weihnachten ein großes Waldbild, zu dem alle etwas beitragen. Jedes Kind klebt ein Bildchen dazu, manchmal auch ein Gedicht oder einen kleinen naturwissenschaftlichen Text“, erzählt Leiterin Anne Makowsky. „Wir beobachten, dass es den Kindern viel bedeutet.“

Makowsky fällt in ihrem Alltag auf, dass viele Eltern hin- und hergerissen sind zwischen dem Wunsch, mit ihren Kindern eine stimmungsvolle Zeit zu erleben, gleichzeitig aber auch das Gefühl haben, ihr Nachwuchs bekommt von allem zu viel.

Weniger ist mehr, lautet deshalb die Devise im Waldkindergarten. Kinder seien durch die vielen Eindrücke wie glitzernde Dekoration in der Einkaufspassage, die Geheimnisse der Großen und den Nikolaus am 6. Dezember ohnehin sehr aufgeregt. Diese vielen Eindrücke müssen Kinder erst einmal verarbeiten.