Geschäfte machen sich fit für „Generation 60 plus“
Berlin (dpa) - Breite Gänge für den Rollator, Single-Packungen im Supermarkt oder Brillenablagen in den Umkleidekabinen: Längst hat auch der Einzelhandel die „Generation 60 plus“ als Zielgruppe erkannt.
Immer mehr Firmen machen ihre Läden und Märkte fit dafür - aber subtil.
Bereits 2030 wird den Statistikern zufolge Deutschland mit einem Rentneranteil von fast 50 Prozent die älteste Bevölkerung Europas haben. Der Anteil an Singlehaushalten wird wachsen. Dies hat auch die Branche mit ihren rund 400 000 Unternehmen aufgeschreckt. „Schon heute fällt in den Straßen der Innenstädte eine zunehmende Zahl von Rollatoren auf“, berichtet Andrea Ferger-Heiter. Seit 2008 ist die frühere Warenhaus-Geschäftsführerin bei Kaufhof Demographiebeauftragte - die erste und einzige im Einzelhandel überhaupt. Mit viel Engagement versucht sie, die 138 Filialen der Metrotochter auf die neuen Herausforderungen zu trimmen.
Egal ob „Winning Generation“ oder “Silver Generation“, „Best Ager“ oder „60Plus“ - die Werbung kann es noch so schönreden: „Keiner will eigentlich so genannt werden und keiner will dazugehören“, betont Ferger-Heiter. Das versuchen jetzt auch die Kaufhaus- oder Supermarktstrategen zu berücksichtigen. So wurden in vielen Kaufhof-Filialen beispielsweise Sofas zum Ausruhen aufgestellt, die Umkleidekabinen mit Zusatzhaken und fest montierten Sitzbänken versehen oder an den Kassen umlaufende Ablageflächen für Taschen montiert. Auch die Schrift auf Preis- und Hinweisschilder wurde vergrößert und das Personal auf „grauwert“ geschult.
Mittlerweile tragen 39 Kaufhof-Warenhäuser das Zertifikat „generationenfreundlich“. Seit vergangenen Jahr vergibt der Einzelhandelsverband HDE derartige Siegel. „Das ist ein Riesenthema“, betont Branchensprecher Kai Falk. Insgesamt seien schon mehr als 700 Unternehmen zertifiziert - darunter auch Einkaufscenter, Supermärkte und Discounter. 58 Kriterien gilt es dabei zu erfüllen. Bewertet wird zum Beispiel die Gestaltung des Eingangsbereichs, die Beleuchtung, Servicequalität oder Sortimentsgestaltung. „All das wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor“, ist sich Falk sicher. Der Fokus sei dabei nicht nur auf die ältere Generation gerichtet: „Auch Mütter mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer freuen sich über breitere Gänge.“
Die schwedische Einrichtungskette Ikea versucht, in ihren 46 Märkten mit speziellen Servicepaketen ältere Kundschaft anzusprechen. Dazu gehört die Lieferung der Einkäufe nach Hause oder der Aufbau von Möbeln. Auch die Öffnungszeiten wurden geändert. „Gerade unsere frühen Frühstücksangebote werden von Oma und Opa mit Enkelkind gern genutzt“, betont Sprecher Kai Hartmann.
In den real-Warenhäusern vergrößerte man bereits 2009 den Schriftgrad an den Preisetiketten um rund 30 Prozent. Zudem wurden wieder mehr Bedientheken eingeführt. Bei Edeka sind vor allem die Märkte im Südwesten der Republik auf besondere Bedürfnisse eingestellt. „Wir denken dabei aber nicht nur an Senioren, sondern auch an Mütter und Väter oder Menschen mit Handicap“, sagt Sprecher Christhard Deutscher.
Große Chancen könnte der Demographiewandel für die eigentlich kriselnden Warenhäuser bringen. „Gerade Ältere schätzen das Angebot unter einem Dach. Für sie ist es oft zu mühsam, alle Geschäfte abzuklappern“, betont Manuel Jahn vom Gfk-Geomarketing. Kaufhäuser werden in den Innenstädten wieder wichtig, heißt es auch beim HDE. „Gerade die 60 bis 70-Jährigen schätzen die kurzen Wege ins Theater, in die Oper oder ins Kaufhaus.“