Junge Unfallopfer: Schadenersatz schwer zu bemessen
Stuttgart/Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Wie viel Geld in welchem Beruf wird ein Kind eines Tages verdienen? Im Jetzt kann das keiner wissen. Trägt ein Kind bei einem Unfall Schäden davon, muss ein Gericht diese Fragen theoretisch beantworten.
Gerecht ist das nicht immer.
Bei jungen Unfallopfern im Straßenverkehr ist es für Gerichte schwierig, einen angemessenen Schadenersatz zu bestimmen - denn dieser richtet sich nach dem Ausfall möglicher späterer Verdienste. Oft ist es völlig offen, welchen Beruf das betroffene Kind künftig ausgeübt hätte und wie viel Einkommen ihm folglich durch die Unfallverletzungen entgeht. Darauf weisen der Auto Club Europa (ACE) und der Automobilclub von Deutschland (AvD) anlässlich des Deutschen Verkehrsgerichtstags in Goslar (23. bis 25. Januar) hin. Dort sollen die bisherigen Kriterien der Rechtsprechung weiter diskutiert werden.
Die Automobilclubs fordern, dass junge Unfallopfer beim Schadenersatz nicht wegen ihrer sozialen Herkunft benachteiligt werden dürfen. Insbesondere der soziale Status der Eltern dürfe keinen Einfluss darauf haben, wie hoch ein Gericht den Schadensersatz für ein Kind ansetzt, wenn es im späteren Leben nur noch eingeschränkt arbeiten kann.
Fragen und Antworten dazu im Überblick:
Wonach bemisst sich der Schadenersatz bei jungen Unfallopfern?
Die Gerichte können sich bei der Höhe des Schadenersatzes in einem solchen Fall nur an Anhaltspunkten orientieren. Dazu zählen laut dem AvD zum Beispiel die bisherige schulische Laufbahn des Kindes, die beruflichen Entwicklungen der Geschwister und die Karrieren der Eltern einschließlich Beruf, Vorbildung und Qualifikationen. Der ACE-Verkehrsrechtsexperte Volker Lempp sagt jedoch: „Es ist die Frage, ob man sich nicht von dieser Fiktion löst, man könne tatsächlich eine Prognose machen.“ Bislang dränge sich der Eindruck auf, dass jedes Gericht von ihm selbst entwickelte Maßstäbe anwende, die darüber hinaus kaum wissenschaftlich untermauert seien.
Welche Nachteile können sich für Betroffene ergeben?
Denkbar sind zum Beispiel Fälle, bei denen Kinder bei der Schadensbemessung benachteiligt werden, weil sie Eltern haben, die Hartz IV beziehen, betont Lempp. Oder weil der Bruder oder die Schwester eine Hauptschule besuchen. „Dabei gibt es in vielen Familien einen Überflieger, der wesentlich heller ist als seine Geschwister.“ In diesem Fall werde es dem Kind nicht gerecht, sich ausschließlich am sozialen Milieu zu orientieren.
Was können betroffene Eltern tun?
Haben Eltern den Eindruck, dass ihrem Kind zu wenig Schadenersatz für zukünftigen Verdienstausfall zugesprochen wurde, können sie Berufung einlegen, wie der Verkehrsrechtsexperte Martin Diebold vom Deutschen Anwaltverein (DAV) erklärt. Er rät Eltern, anhand von Indizien exakt zu begründen, warum das Kind genau diesen oder jenen Berufsweg einschlagen wollte. Es sei allerdings umso schwerer, handfeste Anzeichen zu finden, je jünger das Kind sei.