Kindertag & Co.: „Welttage“ als Marketingstrategie
Stuttgart/Erlangen (dpa) - Es gibt den Muttertag, den Vatertag, den Kindertag - und eine Vielzahl anderer „Welttage“. Gerne nutzen Unternehmen und Verbände diese Anlässe, um ihr Produkt oder ihre Botschaft an den Mann zu bringen.
Manchmal mit durchschlagendem Erfolg.
Es gibt den Tag der vermissten Kinder, den Welt-Alzheimer-Tag und den Weltumwelttag. Auch der internationale Tag der Jugend wird alljährlich begangen, der Welttag der Ozeane ebenso. Die Liste ließe sich lange fortsetzen - alleine die Vereinten Nationen haben mehr als 100 solcher Aufklärungs-, Mahn- und Gedenktage ausgerufen. Doch auch Kirchen, Verbände und einzelne Unternehmen nutzen gerne die Aufmerksamkeit, die mit solchen Tagen einhergeht - im Zweifel kreieren sie einfach einen eigenen.
„Ähnlich wie in den 1920er Jahren der Muttertag vom Verband der Blumengeschäftshändler etabliert wurde, versucht man durch derartige Welttage ein zusätzliches Datum zu schaffen, an dem die Nachfrage nach den entsprechenden Produkten besonders hoch ist“, erläutert Marketingprofessor Andreas Fürst von der Universität Erlangen-Nürnberg. Wichtig sei dabei, dass auch die Medien den Welttag aufgriffen - ein Hinweis im Radio habe wesentlich mehr Gewicht als eine Anzeige. Zudem müsse der jeweilige Anlass direkt in den Läden präsent sein, um Spontankäufe auszulösen.
Aktuelles Beispiel: Der Weltkindertag am 1. Juni. Analog zum Mutter- und Vatertag soll am Mittwoch der Nachwuchs im Zentrum stehen. Viele Eltern nehmen sich an diesem Tag nicht nur besonders viel Zeit für ihre Kinder, sondern verwöhnen sie auch mit kleinen Geschenken - das Interesse der Spielwarenhersteller und -händler liegt auf der Hand.
Doch in der Bundesrepublik führte der in der DDR gerne gefeierte Kindertag lange Zeit ein Schattendasein. Ulrich Brobeil vom Deutschen Verband der Spielwaren-Industrie (VDSI) berichtet ganz offen, warum der Kindertag inzwischen so stark promotet wird: Das Geschäft mit Spielsachen ist stark von Weihnachten abhängig, auf einer Konferenz im Jahr 2007 wurde deshalb ein zusätzliches Standbein gesucht - und der bereits 1925 ausgerufene Weltkindertag kam ins Spiel.
Die Branche ergriff die Gelegenheit beim Schopfe. Inzwischen sind weit mehr als eine halbe Million Euro in Marketingkampagnen und Medienkooperationen geflossen, und der Kindertag ist auf dem besten Weg, sich neben Weihnachten und Ostern zu einer festen Größe im Jahresablauf zu entwickeln. Das zeigt sich auch in den Umsatzzahlen: 2010 legten die Erlöse in der Woche vor dem 1. Juni von den üblichen rund 20 Millionen Euro um 10 bis 15 Prozent zu, wie Werner Lenzner von der Marktforschungsgesellschaft Eurotoys ermittelt hat.
Ein noch größerer Erfolg ist der Spielwarenindustrie mit Halloween gelungen. „Als nämlich Anfang der 90er Jahre der Karneval wegen des Irak-Krieges ausgefallen war und die Branche mit bedrohlichen Umsatzeinbrüchen zu kämpfen hatte, suchte man nach einem Ausweg, der die Verluste wettmachen, aber auch die unterschiedlich lange Karnevalszeit stabilisieren sollte“, erinnert sich ein Verbandssprecher. Inzwischen profitieren neben den Kostümherstellern auch andere Wirtschaftszweige von Gruselkürbissen und Fledermäusen. Schätzungen gehen davon aus, dass mit Halloween in Deutschland zuletzt etwa 200 Millionen Euro umgesetzt wurden.
„Es gibt viele Welttage, die einzelne Unternehmen als Anlass für Werbung nutzen“, schildert Ulrike Hörchens vom Einzelhandelsverband. „Die wichtigsten sind nach wie vor der Valentinstag und der Muttertag. Die werden flächendeckend von den Unternehmen der typischen Geschenkebranchen beworben.“
„Dass Unternehmen und Verbände da draufspringen und das als Katalysator, als Treibriemen nutzen, um Aufmerksamkeit für ihr Angebot zu bekommen, ist naheliegend“, sagt auch Volker Nickel vom Zentralverband der Werbewirtschaft. Denn im Kampf um Aufmerksamkeit erreiche man die Medien und damit die Kunden am ehesten mit konkreten Anlässen. Aber: „Ob das immer funktioniert, daran habe ich erhebliche Zweifel.“
Denn die Sache sei kein Selbstläufer - auch nicht bei der Verbindung mit ehrenwerten Zielen wie etwa beim Weltgesundheitstag: „Aufmerksamkeit allein bedeutet noch keine betriebswirtschaftlich sinnvolle Marktkommunikation“, weiß der Fachmann. Zumal die Gefahr bestehe, dass potenzielle Kunden durch eine Kampagne abgeschreckt werden. „Wenn ich als Unternehmen Werbung mache, weiß der Konsument - und der ist klug genug - : "Hier will mir jemand was verkaufen". Wenn das mit sozialen Komponenten durchwirkt wird, passt das eigentlich nicht zusammen“, betont Nickel.
Dies gelte ganz besonders, wenn Unternehmen nicht an einen offiziellen Welttag „andocken“, sondern ihre eigenen Daten ins Leben rufen - der „Weltmaltag“ eines renommierten Stifteherstellers in Kooperation mit einer Kinderhilfsorganisation ist so ein Beispiel. Nickel ist sich sicher: „Das sind so Einzelversuche, aber die setzen sich nie durch.“ Dafür werde das Werbemittel der „Welttage“ inzwischen viel zu inflationär gebraucht.