Kurssturz bei Anleihen: Anfang vom Ende der Mini-Zinsen?

Frankfurt/Main (dpa) - Ein Crash am Anleihemarkt wirbelt die Finanzwelt durcheinander - und kann Auswirkungen auch für Otto Normalverbraucher haben. Ende April ging es los: Die Kurse der Bundesanleihen kannten nur eine Richtung - nach unten.

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In den vergangenen Handelstagen kam es mehrfach zu massiven Einbrüchen. Im Gegenzug verabschiedeten sich die Renditen schnell von ihrem Rekordtief. Zum Vergleich: Während der Zinssatz im freien Handel für zehnjährige Bundesanleihen Mitte April noch an der Nulllinie lag, stieg er zeitweise auf fast 0,8 Prozent und lag zuletzt bei 0,65 Prozent. Das Phänomen zeigt sich weltweit. In der Eurozone, in Asien und in den USA: Überall fallen die Kurse von Staatsanleihen und im Gegenzug steigen die Renditen.

Wo liegt die Ursache für die Talfahrt von Bundesanleihen?

Experten tun sich schwer mit einer Begründung. Als sicher gilt, dass sich im Handel mit festverzinslichen in den vergangenen Monaten eine „Blase“ gebildet hat - zuletzt mit deutlichen Anzeichen einer Überhitzung. Da reichen schon kleine Impulse, um eine heftige Gegenreaktion auszulösen. Einige Experten sehen einen möglichen Auslöser für die Talfahrt der Bundesanleihen in Aussagen des US-Starinvestors Bill Gross, der sich an den Finanzmärkten einen Namen als Experte für Anleihen gemacht hatte. Sein Rat, auf fallende Bundesanleihen zu setzen, könnte demnach der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Was kann denn weltweit einen Ausverkauf von Staatsanleihen auslösen?

Hier spielt wohl die Entwicklung der Verbraucherpreise eine wichtige Rolle. In den vergangenen Monaten gab es die Sorge, dass die Preise auf breiter Front und über einen längeren Zeitraum sinken könnten. Das war eine wichtige Triebfeder für die Rekordjagd an den Anleihemärkten. Jetzt heißt es aber in einer Einschätzung der Investmentbank J.P.Morgan: „Die Inflationserwartungen steigen wieder.“ Vor allem die Ölpreise haben sich von ihrer Talfahrt erholt. Damit ist die Deflationsgefahr für viele Anleger vom Tisch, und sie sehen jetzt offenbar eine passende Gelegenheit für Gewinnmitnahmen am Anleihemarkt. Die Kurse der Bundesanleihen fallen und im Gegenzug steigen die Renditen.

Ist das jetzt die Trendwende am Anleihemarkt?

Nein, dafür ist es noch zu früh. Anleiheexperte Bernd Feldhaus vom Vermögensverwalter inprimo invest sagt: „Die Nachfrage der Zentralbanken dürfte die Rentenmärkte bald wieder unterstützen.“ Seiner Einschätzung nach sind die jüngsten Kursverluste übertrieben. Ganz ähnlich lautet die Einschätzung von Experten der Vermögensverwaltung Amundi: Der Anleihemarkt könne keinen Crash erleiden, so lange die Europäische Zentralbank (EZB) weiter Staatsanleihen kauft. Die EZB hatte angekündigt, bis September 2016 monatlich öffentliche Papiere im Volumen von 60 Milliarden Euro zu erwerben.

Muss Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jetzt wieder mehr Kosten für die Staatsverschuldung einplanen?

Nein, so schnell geht das nicht. Es wäre auf jeden Fall ein weiter Weg, bis ein Anstieg der Renditen nennenswerte Auswirkungen für die weitere Entwicklung des Bundeshaushaltes hätte. Außerdem gibt es nach einem jahrelangen Höhenflug erstmals größere Verluste. Zugegeben: Sie fallen ungewöhnlich stark aus. Aber es ist eben noch keine Trendwende am Anleihemarkt.

Und wie sieht es bei den Anbietern von Lebensversicherungen aus? Die sind ja wegen der Mini-Zinsen ebenfalls in Bedrängnis geraten.

Hier sieht es ganz ähnlich aus wie mit dem Bundeshaushalt. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. In den Vorstandsetagen der Versicherungskonzerne wird die aktuelle Entwicklung am Rentenmarkt sicher ganz genau verfolgt. Aber auch hier gilt: Es ist noch ein weiter Weg, bis die Zinssätze der Bundesanleihen so stark gestiegen sind, dass die Branche aufatmen kann. Derzeit leiden Versicherer stark darunter, dass sie vor Jahren Produkte mit hohen Garantiezinsen verkauft haben, mit denen sie aufgrund der aktuell niedrigen Marktzinsen Verluste einfahren.