Wettrüsten in den Geschäften Ladendiebstahl kostet dem Einzelhandel Milliarden

Köln (dpa) - Für die Kunden ist es nervig, doch aus Sicht der Händler oft der letzte Ausweg: Das Wegsperren von Spirituosen, Batterien oder Kosmetik-Artikeln hinter Glasvitrinen. Dann beginnt die Suche nach dem Verkäufer mit dem Schlüssel.

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Das Produkt müssen die Kunden schließlich an der Kasse abholen.

Manch einer hat es sich bis dahin längst anders überlegt. „Das ist sicherlich eine Kaufschwelle beim Kunden“, sagt Stefan Hertel, Sprecher beim Handelsverband Deutschland. Doch wüssten sich die Händler angesichts hoher Verluste durch Ladendiebstähle oft nicht anders zu helfen. „Am Ende ist es eine Kalkulation, die jeder Händler eingehen muss.“

Auch im vergangenen Jahr waren es vor allem solch kleine Produkte, die Kriminelle besonders häufig mitgehen ließen: Alkohol, Parfum, CDs und Videospiele, aber auch Markenkleidung und Schuhe, schreibt das EHI-Retail-Institut, ein wissenschaftliches Institut des Handels, in seiner jüngsten Studie zum Thema. „Doch auch große und sperrige Artikel bleiben nicht vom Diebstahl verschont.“

Insgesamt bereiteten Diebe dem Einzelhandel im vergangenen Jahr demnach Verluste in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro. 475 Millionen Euro Mehrwertsteuer gingen dem Staat dadurch verloren. Weil auch der Umsatz stieg, blieben die Verluste anteilig etwa auf dem Niveau des Vorjahres, schreiben die Autoren.

Ladendiebstahl ist für den Handel weder ein neues noch ein rasant wachsendes Problem - dafür ein konstantes. Rund 0,32 Prozent ihres Umsatzes wendeten die Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren je auf, um ihn zu verhindern. Das klingt wenig, bedeutet in absoluten Zahlen aber Gesamtkosten in Milliardenhöhe.

Aus Sicht des Handelsverbands hat sich zwischen Tätern und Einzelhandel längst eine Art gegenseitiges Hochrüsten eingestellt. „Der Aufwand der Einzelhändler bei der Bekämpfung des Ladendiebstahls erhöht sich regelmäßig“, sagt Verbandssprecher Hertel. „Insbesondere professionelle Täter reagieren nämlich schnell auf neue Präventionsmaßnahmen des Einzelhandels.“

Zudem sollen Sicherheitsmaßnahmen die Kunden aus Sicht der Händler nicht übermäßig belasten und am Ende vom Kauf abhalten. Die Händler setzen deshalb vor allem auf Maßnahmen, die Verbraucher nicht direkt zu spüren bekommen: Mitarbeiterschulungen, Videoüberwachung, Datenauswertung. Die Digitalisierung spiele bei Schutzmaßnahmen zunehmend eine Rolle, sagte Verbandssprecher Hertel. Details will er nicht preisgeben, aus Sorge, dass sich Kriminelle wieder darauf einstellen könnten.

Vor allem schwere Diebstähle, bei denen die Täter bewaffnet oder bandenmäßig vorgehen, bereitet dem Handel Sorgen. Seit 2007 hat sich ihre Zahl der Studie zufolge um rund 156 Prozent erhöht. Allerdings verzeichneten die Händler zumindest im vergangenen Jahr wieder einen Rückgang um 6,6 Prozent im Vergleich zu 2016 auf rund 21.000 Fälle, hieß es. Hertel fordert von der Politik mehr Personal bei Justiz und Polizei: „Nur mit ausreichend Personal ist dauerhaft auch in der Praxis eine konsequentere Bestrafung von bewaffneten oder bandenmäßig organisierten Ladendieben möglich.“

Die Länder reagieren auf ihre Weise. Baden-Württemberg schaffte jüngst die Bagatellgrenze von bis dahin 25 Euro ab. Damit werden künftig alle Ladendiebstähle unabhängig von der Höhe des Schadens strafrechtlich verfolgt. Andere Länder belassen es beim Alten, etwa Nordrhein-Westfalen. Dort liegt die Bagatellgrenze bei 50 Euro. Pläne, diese abzuschaffen, gibt es einem Sprecher des Landesjustizministeriums zufolge nicht.