Wunsch oder Wirklichkeit - Immobilien für kleine Geldbeutel
Berlin (dpa/tmn) - Die Lage ist verlockend: Die Zinsen so niedrig wie nie und die Unsicherheit an den Börsen weiterhin hoch. Da liebäugeln viele schnell mit den eigenen vier Wänden. Für Haushalte mit wenig Rücklagen kann das aber schnell zur Falle werden.
Wohneigentum ist in Deutschland beliebt. „Ein guter Indikator für die Nachfrage ist die Zahl der Baugenehmigungen, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht“, sagt Alexander Nothaft vom Verband der Privaten Bausparkassen in Berlin. „Danach wurden in den ersten drei Quartalen 2012 rund 123 000 Genehmigungen im Eigenheimbau verzeichnet.“ Das entspricht einem Plus gegenüber dem Vorjahr von 3,7 Prozent.
Vor allem die niedrigen Zinsen verlocken viele zum Immobilienkauf. Auch Haushalte, die sich normalerweise kein Eigentum leisten könnten, finden in dieser Situation Gefallen an den eigenen vier Wänden. Doch Vorsicht: Genau diese, sogenannten Schwellenhaushalte könnten Probleme bekommen, wenn die Zinsen wieder steigen.
„Schwellenhaushalte haben zwar ein geregeltes Einkommen und können ihren Verpflichtungen nachkommen“, erklärt Max Herbst von der unabhängigen FMH Finanzberatung in Frankfurt am Main. Große Rücklagen gibt es allerdings nicht. Diese Haushalte verfügen über wenig oder gar kein Eigenkapital. Beim Immobilienkauf ist das ein Problem, denn jeder geliehene Euro erhöht das Verschuldungsrisiko.
Aber auch wenn der Markt boomt und die Zinsen reizen, eine ehrliche Kalkulation ist für jeden Immobilienkäufer unerlässlich, damit aus dem Wunsch nach den eigenen vier Wänden auch Wirklichkeit wird. Einen Richtwert, wie viel eigenes Geld nötig ist, um Immobilienbesitzer zu werden, gibt es nicht. Verbraucherschützer raten zu 20 bis 30 Prozent Eigenkapital. Auch die zusätzlichen Kosten beim Kauf, wie Notar, Grunderwerbssteuer oder Makler, sollte der Kaufinteressent selbst bezahlen können, sagt Max Herbst. Das wären etwa zehn Prozent der Kaufsumme.
Aber auch ohne jegliches Eigenkapital ist eine Finanzierung möglich. Es gibt Banken, die ein Objekt auch komplett finanzieren. Es wird nur deutlich teurer, denn die Bank packt einen Risikoaufschlag oben drauf. „Die Zinsen bei der 100-Prozent-Finanzierung liegen dann nicht bei 2,9 Prozent, sondern bei 4 Prozent oder mehr“, sagt Hartmut Schwarz von der Verbraucherzentrale Bremen.
Die Kreditrate, die monatlich an die Bank gezahlt werden muss, setzt sich aus den Zinsen und der Tilgung zusammen. Die Tilgung baut die Schulden ab. Problematisch kann bei einem knappen Budget eine zu niedrige Tilgungsrate sein. „Wer eine 1-prozentige Tilgung wählt, was bei vielen Bankangeboten üblich ist, muss wissen, dass er nach 10 Jahren immer noch rund 90 Prozent an Restschuld hat“, sagt Alexander Nothaft vom Verband der privaten Bausparkassen. Das heutige Zinsniveau solle niemanden leichtsinnig werden lassen. „Man muss eine Finanzierung dauerhaft stemmen können. Die Summe aus Zins und Tilgung sollte 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigen.“
Damit man die niedrigen Zinsen so lange wie möglich auskosten kann, ist es wichtig, eine längere Zinsfestschreibung zu vereinbaren. „Ich empfehle eine Zinsbindung von 15 oder sogar 20 Jahren“, sagt Max Herbst. Die kostet zwar gut ein halbes Prozent mehr Zinsen, bringt aber einen wichtigen Vorteil. „Vom 11. bis 15. Jahr hat der Schuldner das Recht den Kreditvertrag vorzeitig kostenfrei zu kündigen und hat so 5 Jahre Zeit, nach einer geeigneten, fortführenden Finanzierung zu suchen“, sagt Herbst.
Wenn die Zinsbindung ausläuft, ist nämlich meistens noch viel Kredit übrig. Man muss sich um eine Anschlussfinanzierung kümmern. Das ist der Knackpunkt der Immobilienfinanzierung durch Schwellenhaushalte, da sind sich die Experten einig. „Wenn mit einem höheren Zins die Anschlussfinanzierung gemacht werden muss, kann das schwierig werden“, sagt Hartmut Schwarz. Das gilt vor allem dann, wenn zu wenig getilgt wurde und die Restschuld noch sehr hoch ist. Die monatliche Rate an die Bank kann dann genauso steigen wie der Zins und entsprechend plötzlich ein paar hundert Euro mehr betragen.
Schwellenhaushalte sollten in ihrem Kreditvertrag auf Flexibilität achten. Heike Nicodemus von der Stiftung Warentest sagt: „Wichtig ist eine anpassungsfähige Gestaltung des Vertrags, damit man, falls sich die Lebenssituation ändert, die Rate verändern kann.“ Auch ein Sondertilgungsrecht sollte man sich einräumen lassen. Mit diesen Zahlungen außer der Reihe kann man die Schulden schneller senken und damit auch die monatlichen Belastungen oder die Laufzeit des Kredits reduzieren.
Neben den Kosten für den Kredit sollte man auch den finanziellen Aufwand für die Immobilie nicht unterschätzen. „Es ist nicht nur die Kreditrate, die zum Tragen kommt, sondern auch der Unterhalt für das gekaufte Objekt. „Strom, Wasser, Müll und die Rücklagen müssen miteinkalkuliert werden“, sagt Heike Nicodemus von der Stiftung Warentest. Hartmut Schwarz vom Verbraucherschutz in Bremen rechnet dafür mit 3,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Monat.