„Anuga“: Pizza am Stiel, Salat in Scheiben
Köln (dpa) - Die Deutschen essen mehr draußen und oft in Eile. Gemeinsame Mahlzeiten werden seltener. Der Verbraucher ist anspruchsvoll, hat es gern bequem, langes Zubereiten trifft nicht seinen Geschmack.
Das wird deutlich bei der weltgrößten Ernährungsmesse „Anuga“.
Die Pizza am Stiel kommt aus dem Toaster, die Meersalz-Pommes minutenschnell aus der Mikrowelle, der Apfelstrudel lässt sich fix aus dem Becher löffeln. Pfannkuchen werden nicht mehr in der Pfanne gebacken, sondern wandern von der Tiefkühltruhe über den Toaster in den Magen. Ein Blick auf die Neuheiten der weltgrößten Nahrungsmittelmesse „Anuga“ in Köln (5. bis 9. Oktober) verdeutlicht den Trend: Der Mensch nimmt sich weniger Zeit für sein Essen und die Zubereitung seiner Speisen.
Eier- oder Fleischsalat gibt es jetzt schon in Scheibenform, fürs Brot - das geht einfacher und schneller als mit Schüsseln und Besteck. Der Konsument mag es bequem, gerne verzehrfertig. Er isst öfter draußen und unterwegs. Ihm schmecken Convenience-Produkte und „To-Go“-Angebote in immer neuen Varianten.
Die Ernährungsgewohnheiten ändern sich, ebenso die Einstellung zu Lebensmitteln. „Die Menschen essen nicht weniger, sei ernähren sich aber anders als früher“, sagt Konsumforscher Robert Kecskes von der GfK, einen Tag vor der offiziellen Eröffnung der „Anuga“. Vor allem das gemeinsame Mittagessen finde oft nicht mehr statt: Auch die Mütter sind häufig berufstätig, die Kinder bleiben in der Ganztagsbetreuung. Damit nehme das Essen außer Haus zu. Abgepackte Obst- und Gemüsemischungen, Baguettes, Suppen, Salat oder Snacks gehören zu den Wachstumstreibern.
Das Auge isst bekanntlich mit. Bei einer wachsenden Gruppe von inzwischen gut einem Viertel der Verbraucher sind aber auch Moral und Gewissen im Spiel. Zu dem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie der GfK im Auftrag der Ernährungsindustrie. Bei diesen Käufern entscheiden Qualität, umweltschonende, nachhaltige Produktion, fairer Handel, kurze Transportwege oder artgerechte Tierhaltung mit, ob es die Ware in ihren Einkaufskorb schafft. Die Gruppe dieser bewussten Konsumenten gibt 16 Prozent mehr aus für Nahrungsmittel als die anderen Haushalte.
Die Branche sieht eine steigende Wertschätzung. „Die Leute gehen nicht mehr so stark auf billig“, stellt Kecskes fest. Auch wenn Armut nicht wenige zum Griff nach dem preiswertesten Produkt zwinge. Insgesamt geben die Deutschen knapp 12 Prozent des verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus - im Vergleich zu anderen Ländern ein weiter geringer Anteil.
Die 6777 Anbieter aus 98 Ländern tischen bei der alle zwei Jahre stattfindenden „Anuga“ auch diesmal mächtig auf. Stark vertreten sind bis kommenden Donnerstag Bio- und regionale Angebote, fair gehandelte Waren und „Free-From“-Neuheiten - also Produkte etwa ohne Laktose oder Zucker. Den Geschmack der Verbraucher sollen aber auch Cola-Aufstrich fürs Brot, rosafarbener Reis mit Sanddorn-Orange als Weltneuheit oder dicke Pasta gefüllt mit Currywurst treffen.
Transparenz wird großgeschrieben. Die Berichte über Lebensmittelskandale - Gammelfleisch, Dioxin-Eier, Pferdefleisch in Fertiglasagne oder Bakterien-Torten - hat so mancher Verbraucher noch nicht verdaut. Dass viele Skandale aufgedeckt wurden, sei aber auch eine Folge auf die gestiegenen Qualitätsansprüche der kritischen Konsumenten, glaubt Christoph Minhoff, Geschäftsführer des Ernährungsindustrieverbands BVE. „Das Vertrauen in Lebensmittel ist seit Jahren ungebrochen stark.“
Die Politik mache um die international wichtige Plattform „Anuga“ einen Bogen, kritisiert Stephan Becker-Sonnenschein, Geschäftsführer der Lebensmittelwirtschaft. Die Ernährungsindustrie zeige dort auch ihre Produktionsmethoden, ihr technisches Know-How, ihre Konzepte für die Zukunft. Die Fachmesse sei der geeignete Ort, um über Lebensmittelqualität und die Versorgung von morgen zu diskutieren - angesichts von weltweit rund 9 Milliarden Menschen in den kommenden Jahrzehnten zentrale Fragen. Dem Dachverein stößt daher schon seit längerem bitter auf: Berliner Politiker glänzen durch Abwesenheit.