Bandscheibenvorfall - als wenn die Wirbelsäule bricht
Bautzen (dpa/tmn) - Rosita Bräuer war mit ihren Kindern im Schwimmbad und gerade gerutscht, als ein Knacken im Rücken ihr Leben veränderte. „Ich kam nicht mehr hoch“, sagt sie. Weil sich auch ihr Fuß nicht mehr bewegen ließ und sie deshalb nicht mehr laufen konnte, kam sie ins Krankenhaus.
„Es war ein Gefühl, als wenn meine Wirbelsäule auseinanderbricht.“ Gebrochen hatte sich die damals 35-Jährige aber nichts. Stattdessen lautete die Diagnose: Bandscheibenvorfall. Sie wurde operiert, kam in die Reha. Das war vor 20 Jahren. Seitdem gab und gibt es „viele Baustellen“ in ihrem Rückenbereich, wie sie selbst sagt. Schmerzfrei ist die heute 55-Jährige noch immer nicht.
Der typische Verlauf eines Bandscheibenvorfalls ist die Geschichte von Rosita Bräuer nicht unbedingt - das geht schon mit der Rutsche im Schwimmbad los: Meist kommt es zum Beispiel beim Heben von Getränkekisten zum akuten Bandscheibenvorfall, erklärt Reinhard Schneiderhan, Präsident der Deutschen Wirbelsäulenliga und Orthopäde in München. Dabei passiert Folgendes: Die 23 Bandscheiben, die eine Art Puffer zwischen den Wirbelkörpern sind, haben einen Faserring, der die Bandscheibe in ihrer Position hält, sowie einen Gallertkern. Etwa durch das Heben einer Getränkekiste kann der unter Umständen schon vorgeschädigte Faserring reißen, und der Gallertkern tritt aus. Der drückt dann auf die Nerven im Wirbelkanal - das schmerzt und kann noch weitere Beschwerden mit sich bringen.
Wer ständig lange sitzt, seinen Körper einseitig belastet, sich zu wenig oder falsch bewegt, hat ein erhöhtes Risiko für einen Bandscheibenvorfall, erklärt Schneiderhan. Die Schmerzen beim Bandscheibenvorfall unterscheiden sich von Rückenschmerzen, die etwa auf Verspannungen beruhen.
Starke, stechende Schmerzen im Rücken können auf einen Bandscheibenvorfall hindeuten. Wenn Arme oder Beine kribbeln oder sich taub anfühlen, kann das ebenfalls ein Warnsignal sein, sagt Schneiderhan. Gleiches gilt für Lähmungserscheinungen. In solchen Fällen sollte man innerhalb von zwei bis drei Tagen zum Arzt gehen, rät Schneiderhan. Es gibt aber auch Bandscheibenvorfälle, die etwa per Magnetresonanztomographie sichtbar sind, dem Betroffenen aber keine Schmerzen bereiten, wie Prof. Bernd Kladny sagt. Er ist stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).
Außerdem gibt es Notfälle unter den Bandscheibenvorfällen: „Wenn Betroffene unkontrolliert Urin verlieren oder Stuhl nicht mehr halten können, muss innerhalb von sechs Stunden operiert werden“, sagt Kladny. Auch bei erheblichen Lähmungserscheinungen, die mit einem erhöhten Sturzrisiko einhergehen, sei eine OP ratsam. „Alle anderen Fälle kann man konservativ behandeln“, sagt Kladny. Das bedeutet für Patienten in der Regel, entzündungshemmende Medikamente und Schmerzmittel einzunehmen oder Spritzen und Infusionen zu bekommen. Außerdem sollen sie sich schonen, aber sich auch mit Hilfe der Physiotherapie wieder an normale Alltagsbewegungen gewöhnen und mehr Stabilität im Rumpfbereich aufbauen.
In vielen Fällen bessert sich ein Bandscheibenvorfall mit der konservativen Behandlung. Schneiderhan nennt als „kritische Größe“ eine Dauer von sechs Wochen. „Dann müssen Fragen gestellt werden wie: Kann sich der Betroffene wieder normal bewegen? Hat er noch Schmerzen?“ In jedem Fall sollten Patienten bei der Entscheidung für oder gegen eine OP eine zweite Meinung einholen. „Man sollte weder in Hektik entscheiden, noch sich überreden lassen“, betont Schneiderhan. Kladny weist darauf hin, dass niemand Panik vor einer OP haben braucht, man einen solchen Eingriff aber auch nicht verharmlosen sollte. Jede Narkose bringe Risiken mit sich, und bei jedem Schnitt - sei er auch noch so klein - besteht die Gefahr von Komplikationen.
Man kann Bandscheibenvorfällen vorbeugen, da ist sich Michael Preibsch vom Deutschen Verband für Physiotherapie sicher. Fehlbelastungen wie ständiges Sitzen sollte man möglichst meiden. Grundsätzlich ist Bewegung wichtig, um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. „Es trifft oft Leute, die normalerweise nicht viel machen und dann ein Haus renovieren“, sagt Preibsch. Er empfiehlt Sportarten wie Joggen, Walken, Langlauf und Radfahren. Eine Alternative kann auch Yoga sein - allerdings sollten Einsteiger es langsam angehen lassen.