Ratgeber Rückenschmerzen sind längst Volkskrankheit: Was sind die Ursachen und wie behebt man sie?
Unter ihnen leidet fast ein Drittel aller Erwachsenen, sie sind der dritthäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit und verursachen volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe: Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit.
Mehr als 32 Prozent der Erwachsenen und über 20 Prozent der Kinder in Deutschland haben ein- oder mehrmals in ihrem Leben mit Rückenschmerzen zu kämpfen. Auslösende Faktoren für die meist im unteren Rücken auftretenden Schmerzen sind insbesondere sitzende Tätigkeiten wie Büroarbeit, außerdem Bewegungsmangel, dauerhafter Stress und Übergewicht – alles „Begleiterscheinungen“ unseres modernen Lebensstils. Rückenerkrankungen wie ein Bandscheibenvorfall, der weniger dramatische, aber extrem schmerzhafte Hexenschuss und vor allem chronische Rückenschmerzen können nicht nur die Lebensqualität Betroffener massiv einschränken, sondern belasten auch das Gesundheitssystem.
Ursachen von Rückenschmerzen im modernen Lebensstil
Wie viele andere Volkskrankheiten sind auch Rückenschmerzen eine Zivilisationskrankheit, die in einem eindeutigen Zusammenhang mit der Lebens- und Arbeitsweise der modernen westlichen Gesellschaft steht. Die Hauptursachen für Rückenschmerzen sind sitzende Tätigkeit und Bildschirmarbeit – und bei den allermeisten Büro- und Wissensarbeitern kommt beides zusammen. Sei es die Steuerberaterin oder der Chefsekretär, der Online-Redakteur oder die Doktorandin – sie alle verbringen den größten Teil ihrer Arbeitszeit sitzend am Computer: Im Durchschnitt sitzt jeder Erwachsene 11,5 Stunden täglich. Nutzt man tagein, tagaus denselben Büro-Arbeitsplatz, kann dies schnell zu Verspannungen und Rückenschmerzen führen, wenn Stuhl, Schreibtisch und Geräte nicht ergonomisch ausgerichtet sind. Chronische Rückenschmerzen, vor allem Kreuzschmerzen, also Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule, sind die Folge (zu) langen Sitzens, ob während der Arbeit oder in der Freizeit.
Abhilfe würde regelmäßige Bewegung schaffen, doch diese kommt fast immer zu kurz: Aus dem Auto ins Office, nach Feierabend aufs Sofa – dass die Deutschen sich zu wenig bewegen, fördert nicht nur Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch Rückenschmerzen.
Neue Technologien, insbesondere smarte Alltagsbegleiter wie das unverzichtbare Handy, erleichtern und verschönern uns auf der einen Seite das Leben, doch bergen auf der anderen Seite auch Risiken. Studien haben gezeigt, dass sich bestimmte Arten von Verspannungen und Schmerzen ganz konkret auf die (übermäßige) Nutzung von Geräten wie Tablets und Smartphones zurückführen lassen. So kann etwa stundenlanges Tippen am Handy oder Tablet nicht nur zu einer einseitigen Belastung für Hand und Arm führen, sondern auch durch die meist nach unten geneigte Kopf- und Körperhaltung den Nacken- und Schulterbereich in Mitleidenschaft ziehen: Je nach Neigungswinkel wird die Nackenmuskulatur mit 15-25 Kilogramm belastet, wodurch der sogenannte Handynacken und/oder ein Rundrücken entstehen kann.
Ähnliches gilt für die Arbeit am Notebook, wenn man es nicht auf einem entsprechend hohen Tisch, sondern etwa auf dem Schoß oder gar einem niedrigen Couchtisch platziert. Gut zu wissen: Die Rückenschmerzen, die sich bei den durch mobiles Arbeiten am Laptop bedingten Haltungsschäden entwickeln können, melden sich meist im Schulter- und Nackenbereich, also im oberen Rücken, und nicht, wie beim Schreiben und Arbeiten am klassischen Desktop, im Kreuz.
Nicht zuletzt haben chronische Rückenschmerzen oft auch eine psychische Komponente. Experten gehen davon aus, dass in über 50 Prozent der Fälle psychische Belastungen der eigentliche Grund für chronische Rückenschmerzen sind. Als negativ empfundene Gefühle wie Trauer, Angst und Einsamkeit, vor allem aber dauerhafter Stress begünstigen durch verspannte Muskeln und gereizte Nerven die Entstehung von Schmerzen – insbesondere Kreuzschmerzen. Hinzu kommt unser Schmerzgedächtnis: Der Körper kann sich „merken“, dass eine bestimmte Bewegung – etwa beim Heben eines Gegenstands – Schmerzen ausgelöst hat und empfindet nach einer bestimmten Zeit jedes Mal Schmerzen, wenn diese oder eine ähnliche Bewegung ausgeführt wird. Oft stellt sich der Schmerz sogar schon ein, wenn man sich die Bewegung nur vorstellt. So kann sich ein Teufelskreis entwickeln, in dem die Angst vor Schmerzen dazu führt, dass Betroffene Bewegungen vermeiden, was wiederum Verspannungen und neue Schmerzen zur Folge hat. Stress (psychisch) und Schmerz (physisch) verstärken sich gegenseitig – eine unheilvolle Kombination.
Praktische Tipps zur Rückenentlastung im Alltag
Um Rückenschmerzen gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist es wichtig, einerseits die Rückenmuskulatur zu stärken und andererseits, richtig zu sitzen, zu stehen und zu heben, um einseitige Belastungen zu vermeiden. Wer einen festen Office-Arbeitsplatz zur Verfügung hat, sollte daher unbedingt darauf achten, diesen ergonomisch einzurichten: Optimal ist neben einem verstellbaren Bürostuhl ein ebenfalls höhenverstellbarer Schreibtisch, der im Idealfall auch zum Stehpult umfunktioniert werden kann. Die korrekte Positionierung von Monitor und Tastatur spielt ebenfalls eine Rolle, ebenso wie eine rückenfreundliche Sitzhaltung. Darüber hinaus sollten Computer-User regelmäßig die Sitzposition wechseln und in den Bildschirmpausen Lockerungsübungen für den Rücken durchzuführen.
Einfach anzuwenden, gratis und verschreibungsfrei: Bewegung ist eines der wichtigsten „Heilmittel“ bei Rücken- und Kreuzschmerzen. Dabei muss es gar nicht unbedingt eine schweißtreibende sportliche Betätigung sein – bereits regelmäßige Spaziergänge wirken vorbeugend gegen Rückenschmerzen, und das schon bei nur einer halben Stunden Spazierengehen täglich. Mehr hilft natürlich mehr! Von der Ärztin oder dem Physiotherapeuten können Betroffene sich zudem eine für sie besonders geeignete Sportart empfehlen lassen, sei es Yoga, Schwimmen oder Tanzen, um die Rückenmuskulatur zu stärken und Schmerzen gar nicht erst entstehen zu lassen. Gut zu wissen: Bewegungsmangel ist nicht nur ein Hauptgrund für chronische Rückenschmerzen, sondern befördert auch eine Vielzahl anderer, sehr viel gefährlicherer Erkrankungen wie Adipositas, Herzinfarkt und Schlaganfall. Wer also mehr Bewegung in seinen Alltag integriert, reduziert nicht nur Schmerzen, sondern tut auch seiner allgemeinen Gesundheit etwas Gutes.
Da Rückenschmerzen oftmals psychisch bedingt sind, kommen Stressmanagement und Entspannungstechniken eine herausragende Rolle bei der Vorbeugung zu. Psychische Entspannung kann physische Entspannung bewirken und dadurch Muskelverspannungen lösen helfen. Ganz gleich, ob es sich um Konflikte im familiären Bereich oder Belastungen im Beruf handelt – gelingt es, den Stress zu reduzieren, verbessern sich auch die körperlichen Beschwerden. Achtsamkeitsübungen, Meditationen und Techniken wie die progressive Muskelentspannung können ebenso helfen wie Gespräche mit Freunden; haben sich Stress und Stressreaktionen bereits chronifiziert, bietet eine Verhaltenstherapie Unterstützung.
Leidet man unter sehr heftigen, akuten Rückenschmerzen, ist schnelle Hilfe gefragt. Je nach Art und Lokalisation des Schmerzes kann der Arzt Schmerzmittel verschreiben, die jedoch nur kurze Zeit eingenommen werden sollten. Auch ein eingehendes Arzt-Patienten-Gespräch zur Abklärung der Schmerzen, in dessen Verlauf gefährliche Erkrankungen ausgeschlossen werden können, sorgt oft durch die Verringerung von Angst für eine Linderung der Schmerzen. Weitergehende Diagnostik wird nur in Ausnahmefällen empfohlen. Keinesfalls sollte man sich zu lange schonen, sondern, wenn möglich, sich trotz Schmerzen viel bewegen. Oft werden lokale Wärmeanwendungen als wohltuend empfunden. Bei anhaltenden starken Rückenschmerzen empfiehlt sich die multimodale Schmerztherapie, welche eine medizinische/medikamentöse Behandlung mit Physiotherapie und Psychotherapie kombiniert.