Quälende Quaddeln Bei Nesselsucht juckt die Haut

Berlin (dpa/tmn) - An den 7. Januar 2016 erinnert sich Ute Weiss noch sehr genau. Als sie aufwachte, war die Lippe dick geschwollen, und sie konnte sich nicht erklären, warum. Heute weiß sie es, denn es blieb nicht bei dieser einen Schwellung.

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Ute Weiss hat Nesselsucht. „Ich hatte im vergangenen Sommer schon Schwellungen in den Handflächen, die aber wieder verschwanden“, sagt die 47-Jährige aus Berlin. „Im November bekam ich kleine Quaddeln auf dem Unterarm. Sie gingen schnell wieder weg, daher habe ich mir nie Gedanken gemacht.“

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Tatsächlich hängen diese Symptome zusammen. Und seit dem 7. Januar treten sie auch nicht mehr nur ab und zu auf, sondern täglich. Plötzlich rötet sich die Haut, und es bilden sich Quaddeln, die klein wie ein Stecknadelkopf sein können oder auch groß wie eine Handfläche. Begleitet werden sie von starkem Juckreiz - als habe man eine Brennnessel berührt, deren lateinischer Name Urtica ist. Daher kommt die medizinische Bezeichnung der Nesselsucht: Urtikaria.

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Oft beginnt es mit einem akuten Auftreten - die Quaddeln kommen und verschwinden nach einigen Stunden wieder. Das kann sich wiederholen. Oft ist nach sechs Wochen wieder Ruhe, dann sprechen Experten von einer akuten spontanen Urtikaria. Hält die Quaddelbildung länger als sechs Wochen an, handelt es sich um eine chronische spontane Urtikaria.

Zu der Hautreaktion kommt es, weil die Mastzellen in der Haut aktiviert werden. Dies sind Wächterzellen der körpereigenen Abwehr. „Sie sind wichtig zur Bekämpfung von Viren und Bakterien“, erklärt Prof. Marcus Maurer von der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Charité in Berlin. Werden diese Zellen aktiviert, schütten sie Botenstoffe wie Histamin ins Gewebe aus. Es bindet an Rezeptoren an der Oberfläche von Blutgefäßen. Diese weiten sich und werden durchlässig - Flüssigkeit tritt aus, und es bilden sich die Quaddeln. Auch in tieferen Schichten der Haut und im Unterhautgewebe kann das Histamin zu Schwellungen führen, so genannten Angioödemen. Überdies bindet das Histamin auch an Nervenfasern, was den Juckreiz auslöst.

Dass die Mastzellen aktiviert werden, kann verschiedene Ursachen haben. So können schmerzlindernde Medikamente wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac plötzlich zu einer Unverträglichkeit führen, ebenso Konservierungsmittel oder Süß- und Farbstoffe in Lebensmitteln. Hier hilft es, die Auslöser zu meiden. Ebenso können auch Kälte, Wärme oder Druck eine Urtikaria auslösen - warum, wissen die Experten nicht. Am besten führt man Tagebuch, was man gegessen hat, ob man Stress hatte und wann wie viele Quaddeln auftreten.

Der Grund kann aber auch im Körper selbst schlummern: etwa als Zahnwurzel- oder Mandelentzündung. „Ein Teil der Betroffenen haben den Keim Helicobacter pylori im Magen“, ergänzt Elmar Ehring vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen in Euskirchen. Urtikaria-Experten wie Prof. Maurer vermuten, dass das Immunsystem eine Reaktion gegen sich selbst entwickelt, zum Beispiel ein Eiweiß als fremd und gefährlich einstuft. Bei einem Teil der Patienten findet man den Grund für die Urtikaria nicht. Ute Weiss zum Beispiel hat sich durchchecken und einen Allergietest machen lassen - alles bestens.

Bei ihr treten die Quaddeln täglich auf, obwohl sie die bei Urtikaria übliche Behandlung mit Antihistaminika bekommt. Betroffene nehmen die Medikamente täglich ein, so dass die Histaminausschüttung geblockt wird. Angioödeme können auch im Rachen und Mund auftreten. Durch die plötzlich auftretende Schwellung kann es zu Atemnot kommen. Daher sollten sich Betroffene ein Notfallset verschreiben lassen - Histaminblocker, die sie immer mit sich führen.

Betroffenen macht die Nesselsucht meist sehr zu schaffen. Nicht nur, weil sie sich durch die Quaddeln entstellt fühlen, sondern auch durch den schlimmen Juckreiz. Bei einem akuten Schub kann der Arzt Cortison injizieren. Patienten versuchen sich selbst zu helfen, indem sie sich unter die kalte Dusche stellen. „Schon ein Mückenstich kann einen wahnsinnig machen“, sagt Maurer. „Dann stelle man sich vor, man hätte hunderte Mückenstiche.“ Betroffene sind gut beraten, eine Fachabteilung aufzusuchen, die viele Unikliniken haben.

Viele Patienten leiden durch den Juckreiz tagsüber unter Konzentrationsproblemen, nachts unter Schlaflosigkeit. Außerdem fühlen sie sich der Krankheit ausgeliefert. „Die Quaddeln kommen, wenn sie wollen, und gehen, wenn sie wollen“, sagt Ute Weiss.