Dauermüde - Mit chronischer Erschöpfung leben

Dortmund (dpa/tmn) - Jede noch so kleine Bewegung war für sie eine Qual. Edelgard Klasing aus Dortmund konnte weder auf einem Stuhl sitzen noch einen Löffel halten oder ihre Arme heben. Sie war ständig erschöpft und hatte starke Schmerzen in den Armen und Beinen.

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Diagnose: Chronisches Fatigue-Syndrom.

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„Mein Mann musste mich füttern, und ich bin zur Toilette gekrochen, weil ich einfach nicht die Kraft dazu hatte.“ Mehr als ein halbes Jahr war die damals 35-Jährige bettlägerig. Dabei hätte sie entsprechend ihrer offiziellen Diagnose Pfeiffer'sches Drüsenfieber spätestens nach drei Monaten wieder gesund sein müssen. „Ich hatte keine Zukunftshoffnung mehr.“ Bis ein Arzt bei ihr das Chronische Erschöpfungssyndrom feststellte, auch Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) genannt.

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Laut Bundesgesundheitsministerium sind etwa 300 000 Menschen in Deutschland davon betroffen. „Damit CFS als Diagnose infrage kommt, muss das Leistungsniveau eines Menschen zu mehr als 50 Prozent eingeschränkt sein, und die Leistungsminderung muss schon mindestens sechs Monate angehalten haben“, sagt der Immunologe Wilfried Bieger. Neben einer lähmenden Erschöpfung leiden CFS-Betroffene auch an Konzentrations-, Gedächtnis- und Schlafstörungen sowie Gelenk-, Hals-, Kopf- und Muskelschmerzen.

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Die Ursachen sind nicht eindeutig geklärt. „Wahrscheinlich handelt es sich um eine Überaktivierung des Immunsystems“, sagt Joachim Strienz, Facharzt für Innere Medizin. In der Folge werden vermutlich Mitochondrien geschädigt, die die Körperzellen mit Energie versorgen.

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Da Erschöpfungszustände auch bei anderen Krankheitsbildern auftreten, ist CFS eine Ausschlussdiagnose. „Wenn also im Nerven-, Immun- oder Hormonsystem weder eindeutige Krankheitsbilder noch schwere Eisen- und Vitaminmängel entdeckt werden und es dennoch zu einer erhöhten Immunaktivierung kommt, ist CFS ein möglicher Befund“, sagt Bieger. „Erschwerend kommt hinzu, dass wir die unspezifischen Symptome der Patienten nicht eindeutig objektivieren können.“ Die Diagnose zieht sich deshalb oft über Jahre hin.

Es gibt keine spezielle Therapie von CFS. „Vielmehr versuchen wir, Unregelmäßigkeiten und Mangelzustände auszugleichen, die wir bei den vorhergehenden Untersuchungen festgestellt haben, etwa im Blutbild oder bei den Leber- und Nierenwerten“, sagt Bieger. „Letztlich behandelt das aber nur die Symptome von CFS, nicht die Ursachen.“

Um ihre Erschöpfung dauerhaft in den Griff bekommen, müssen Betroffene lernen, mit ihren begrenzten Energiereserven schonend umzugehen. „Schon bei kleinen alltäglichen Tätigkeiten lohnt es sich, Energie einzusparen“, sagt Klasing, die heute Vorsitzende des Bundesverbands der Patientenorganisation „Fatigatio“ ist. „Zum Beispiel kann man sitzen statt stehen, Auto fahren statt laufen oder einfach einmal das Bügeln weglassen.“ Auch hilft es, sich einen Plan über anstehende Ereignisse und Aufgaben zu machen. „Wenn ich also übermorgen einen wichtigen Termin habe, weiß ich schon heute, dass ich morgen meinen Energieverbrauch zurückschrauben muss und auch am Tag nach dem Termin nicht in die Vollen gehen kann.“

Dank ihrer Disziplin kann sie heute gut mit CFS leben. Die inzwischen 57-Jährige kann wieder arbeiten, einkaufen und Freunde besuchen. „Zwar nicht mehr so häufig wie früher, aber das Leben geht jetzt nicht mehr an mir vorbei, sondern ich kann es wieder miterleben.“