„Dr. Frankenstein“-Arztskandal zieht weite Kreise
Heilbronn (dpa) - Der Skandal um einen in den Niederlanden als „Dr. Frankenstein“ bekannten und in Heilbronn geschassten Arzt zieht immer weitere Kreise. Am Dienstag meldeten sich auch Kliniken im niedersächsischen Nienburg und im rheinland-pfälzischen Worms, bei denen der Neurologe gearbeitet hat.
Und auch in Nordrhein-Westfalen war der Mediziner tätig. In Baden-Württemberg soll er auch an einem Krankenhaus in Bad Friedrichshall praktiziert haben, wie die „Heilbronner Stimme“ (Mittwoch) berichtete. Das Haus dort gehört wie der „Gesundbrunnen“ in Heilbronn zum SLK-Klinikverbund.
Die Bezirksregierung in Arnsberg, die dem Mann eine bundesweit gültige Approbation ausgestellt hatte, bekräftigte, dass die Unterlagen geprüft und als einwandfrei befunden worden waren. Ein Grund für den Einsatz des Arztes war nach Meinung des Vorstands der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Ärztemangel. Deshalb stellten Träger ziemlich wahllos Bewerber ein, sagte er. Brysch sieht die Politik in der Verantwortung. „Die Bundesbildungsministerin und auch die Länder müssen sich absprechen, wie man dem Ärztemangel in Deutschland entgegentreten kann.“
In den niederländischen Medien ist der 67-Jährige als „Dr. Frankenstein“ bekannt. Dort werden ihm dutzende Fehldiagnosen wie Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson sowie Untreue vorgeworfen. Mindestens 13 Patienten sollen wegen falscher Befunde unnötig am Gehirn operiert worden sein. Ein Patient soll sich nach einer fälschlichen Alzheimerdiagnose umgebracht haben.
Der Arzt sei 2010 für einige Monate in den Mittelweser Kliniken in Nienburg tätig gewesen, sagte Geschäftsführer Ronald Gudath. Der Mediziner habe als Honorararzt gearbeitet und sei monatsweise als Vertretung über eine Arztagentur gebucht worden. Als Assistenzarzt sei er aber nie ohne Aufsicht gewesen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz des Neurologen seien keine Schadensfälle bekanntgeworden. Als das Klinikum im Juli 2010 über angebliche Unregelmäßigkeiten im früheren Berufsleben des Mediziners informiert wurde, sei das Arbeitsverhältnis beendet worden.
Ab August 2010 habe der Mann mehrere Monate am Klinikum Worms praktiziert. Der Neurologe habe nur unter Aufsicht gearbeitet und als Assistenzarzt keine selbstständigen Entscheidungen getroffen, sagte Geschäftsführer Friedrich Haas. Deshalb sei eine Schädigung von Patienten nahezu ausgeschlossen. Alle relevanten Patientenakten würden aber geprüft. Der Mediziner sei wegen akuten Personalmangels über eine Agentur als Honorararzt eingestellt worden. Ein gültiger Facharztabschluss und eine Approbation hätten vorgelegen. Dem Mann sei 2011 gekündigt worden, als das Ärzteteam wieder komplett war.
In Deutschland Fuß gefasst hatte der Arzt im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Arnsberg. Dort war er unter anderem an einer Klinik in Bad Laasphe (Kreis Siegen-Wittgenstein) tätig. Sprecher Christoph Söbbeler erklärte am Dienstag, es hätten Universitäts- und Führungszeugnisse sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der niederländischen Behörden vorgelegen, an denen nichts auszusetzen gewesen sei. Die Bezirksregierung unterstütze die Staatsanwaltschaft, die inzwischen Vorermittlungen gegen den Mann eingeleitet hat.