Dringlichkeit und Erfolgschance: Kriterien zur Organvergabe
Leiden (dpa/tmn) - München, Göttingen, Regensburg - und jetzt Leipzig. Die Serie von Organspende-Affären reißt nicht ab. Das verunsichert viele Patienten. Können sie erkennen, ob in ihrem Fall alles mit rechten Dingen zugeht?
Leiden (dpa/tmn) - München, Göttingen, Regensburg - und jetzt Leipzig. Die Serie von Organspende-Affären reißt nicht ab. Das verunsichert viele Patienten. Können sie erkennen, ob in ihrem Fall alles mit rechten Dingen zugeht?
Die Organspende-Affäre am Universitätsklinikum Leipzig dürfte viele Patienten verunsichern. Schließlich ist es nicht der erste Fall, in dem es darum geht, dass Ärzte bei Organspenden manipuliert haben sollen. Auch in München, Göttingen und Regensburg waren zuvor ähnliche Vorwürfe bekanntgeworden. So mancher dürfte sich nun fragen: Nach welchen Kriterien werden Organe überhaupt vergeben? Und kann ich als Patient erkennen, ob meine Krankendaten korrekt angegeben sind? Antworten auf diese und andere Fragen im Überblick.
Wer ist für die Vermittlung von Spenderorganen zuständig?
Für die Zuteilung von Spenderorganen in sieben europäischen Ländern ist die Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) mit Sitz im niederländischen Leiden zuständig. Sie registriert alle Patienten in den Mitgliedsländern, die auf ein Organ warten. Die Richtlinien, nach denen hierzulande die Organe verteilt werden, hat die Bundesärztekammer (BÄK) nach Vorgaben des deutschen Transplantationsgesetzes erstellt. Die Transplantationen in Deutschland koordiniert die Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).
Nach welchen Kriterien werden die Organe vergeben?
Spenderorgane werden nicht nur nach Wartezeit verteilt. Von besonderer Bedeutung sei auch die Dringlichkeit der Transplantation, da ein schwer kranker Patient ohne Spenderorgan unmittelbar sterben würde, erläuterte Axel Rahmel, Medizinischer Direktor der ET, schriftlich auf Anfrage. Außerdem muss das Organ zum Empfänger passen. Besonders wichtig sei die Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger zum Beispiel bei Nieren. Denn das beeinflusse das Ergebnis, also die Erfolgaussichten der Organverpflanzung - ein weiteres Vergabekriterium.
Welche Rolle spielt bei der Vergabe einer Leber, dass der Empfänger eine Dialyse bekommt?
Der Schweregrad einer Lebererkrankung wird mit Hilfe des sogenannten MELD-Scores angegeben. Der MELD-Score wird laut Rahmel aus drei Laborwerten berechnet, unter anderem Kreatinin. Da eine Dialysebehandlung den Kreatininwert absenke und dieser den klinischen Zustand des Patienten bezüglich der Nierenfunktion dann nicht mehr korrekt wiedergebe, werde einem Patienten mit Dialysebehandlung ein Kreatininwert von 4,0 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) zugewiesen. Dieser werde dann zur Berechnung des MELD-Scores verwendet.
Nach Angaben des Berufsverbands Deutscher Internisten sollte der Kreatininwert bei Männern mit einer gesunden Niere bei mindestens 0,5 mg/dl und bei höchstens 1,1 mg/dl liegen. Bei gesunden Frauen sollten es ebenfalls mindestens 0,5 mg/dl, aber höchstens 0,9 mg/dl sein.
„Hatte der Patient schon vor Einleitung der Nierenersatztherapie einen erhöhten Kreatininwert, ist der Effekt der Dialysebehandlung auf den MELD-Score gering“, erläutert Rahmel. „Bei zuvor niedrigem Kreatininwert kann der Effekt hingegen ausgeprägter sein.“ Das bedeutet also: Gibt ein Arzt fälschlicherweise an, sein Patient sei Dialysepatient, erscheint dieser bei der Score-Berechnung dann kränker als er tatsächlich ist.
Kann ich als Patient Einsicht in meine Krankenakte nehmen?
In seine allgemeine Krankenakte darf der Patient laut Rahmel immer Einsicht nehmen. „Die für die Transplantation relevanten Daten werden zusätzlich zu Vermittlungszwecken in das EDV-System von Eurotransplant (ENIS) eingegeben“, erläutert er. Davon müsse der Patient bei Aufnahme auf die Warteliste informiert werden, und er müsse sein Einverständnis dazu erteilen.
Der Patient kann nicht unmittelbar Einsicht in das ENIS-System nehmen. „Er kann sich aber entweder an seinen Arzt wenden mit der Bitte, ihm einen Ausdruck seiner in ENIS gespeicherten Daten zu geben. Oder er kann sich mit einer entsprechenden Bitte unmittelbar an Eurotransplant wenden“, erklärt Rahmel. Wenn der Patient sich ausreichend legitimiert, stelle ihm Eurotransplant seine Daten zur Verfügung.
Könnte ich erkennen, ob da womöglich fälschlicherweise steht, dass ich Dialysepatient bin?
Anhand der Daten aus dem ENIS-System sei erkennbar, ob vom Arzt beziehungsweise dem Transplantationszentrum eine Dialysebehandlung angegeben wurde. „Es ist auch ersichtlich, welcher Arzt diese Eingabe vorgenommen hat“, ergänzt Rahmel. Auch hierbei würde Eurotransplant auf eine entsprechende Anfrage eines Patienten Auskunft erteilen.