E-Zigaretten: Eine fragwürdige Alternative
Hamburg (dpa) - Die elektronische Zigarette wird als „gesunde Alternative“ zum Rauchen gehandelt, da sie keinen Tabak verbrennt. Stattdessen wird flüssiges Nikotinkonzentrat verdampft. Kritiker warnen indes davor, die Folgen des E-Glimmstängels zu unterschätzen.
Ein tiefer Zug und die Zigarette glimmt. Tabakgeschmack erfüllt die Lunge, Nikotin strömt ins Blut. Obwohl man mitten im Nichtraucherbereich sitzt, beschwert sich niemand. Immer mehr Raucher greifen zur elektronischen Zigarette. Denn „gedampft“ werden darf überall - egal ob im Restaurant, Kino oder Flugzeug. Selbst in Hollywood ist die E-Kippe schon angekommen. Im kürzlich angelaufenen Film „The Tourist“ zieht Schauspieler Johnny Depp im Bahnabteil genüsslich am Elektrostängel. Aber sind die E-Glimmstängel wirklich eine Alternative zur normalen Zigarette?
Der Hamburger E-Zigaretten-Großhändler Werner Wolff schwört auf die täuschend echt aussehende Plastikzigarette. „Seit ich die Dinger benutze, rauche ich keinen Tabak mehr“, sagt er. „Das ist nicht nur gesünder, sondern auch für meine Mitmenschen verträglicher.“ Seit rund drei Jahren vertreibt er die aus China importierten Produkte übers Internet. Von der Pfeife bis zum schwarzen High-Tech-Dampfer ist bei ihm alles zu haben.
Das Prinzip dahinter ist einfach: Bei jedem Zug verdampft ein akkubetriebenes Brennelement flüssiges Nikotinkonzentrat. Um die Illusion perfekt wirken zu lassen, leuchtet eine Leuchtdiode an der Spitze auf. Bis zu 300 Züge bietet eine Kapsel, was 25 echten Kippen entsprechen soll. Der Raucher inhaliert Nikotindampf. Da kein Tabak verbrennt, sollen Anbietern zufolge keine Schadstoffe entstehen.
Einige Händler bewerben die E-Zigarette im Internet gar als „gesunde Alternative zum Rauchen“, die den „Ausweg aus der Nikotinsucht“ erleichtert. Wissenschaftliche Beweise gibt es dafür nicht. Sicher ist aber, dass auch Nikotin schnell süchtig macht - und damit auch das in den Kartuschen. „E-Dampfer“ berichten im Internet von Schwindelgefühlen und Übelkeit.
Die Elektro-Kippen sind zu wenig erforscht, sagen Kritiker. Sie bemängeln die unbekannten Auswirkungen von möglichen Schadstoffen. Auch ist unklar, was dem Nikotinkonzentrat zusätzlich beigemischt ist. Einheitliche Regelungen fehlen bislang.
Was in den Nikotin-Depots wirklich drin steckt, wissen meist nur die Hersteller. Fragen nach der genauen Zusammensetzung des auch Liquid genannten Konzentrats bleiben meist mit dem Verweis auf das Betriebsgeheimnis unbeantwortet. Auch Großhändler Wolff schweigt sich über seine Rezeptur aus, die er in einem Labor in der Hansestadt herstellen lässt. Soviel verrät er: „Unsere Kapseln gibt es in mehreren Nikotinkonzentrationen und Geschmacksrichtungen wie etwa Apfel, Vanille oder Schokolade. Da ist nichts Giftiges drin.“
Zu einem anderen Ergebnis kommt die US-Kontrollbehörde FDA. In Tests wies sie 2009 giftige Substanzen in zahlreichen Proben nach - darunter auch krebserregende Nitrosamine. Gegen eine hohe Qualität der E-Zigaretten spricht der FDA zufolge auch der unterschiedliche Nikotin-Gehalt einzelner Kapseln. Sogar als nikotinfrei deklarierte Patronen wiesen das Suchtmittel auf.
Bereits 2008 wies das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf die Gefahren bei der Inhalation von Nikotin hin. „Nach unserer Ansicht hat sich seitdem nicht viel getan“, sagt BfR-Experte Dr. Frank Henkler. „Nikotin ist ein Nervengift und kann Bluthochdruck sowie Genschäden verursachen. Zur Nikotin-Entwöhnung ist die E- Zigarette definitiv nicht geeignet. Das Gegenteil ist eher der Fall.“
Einige US-Forscher machen sich dagegen für die E-Kippe stark. Der Nikotindampf biete eine gesündere Alternative zum herkömmlichen Tabak-Qualm, ein Verbot der E-Zigarette befördere das schädlichere Rauchen, so das Fazit von Zachary Cahn von der University of California und Michael Siegel von der Boston University School of Public Health. Das geringere Gesundheitsrisiko sei höher einzustufen als offene Fragen.
Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) enthält der Rauch einer normalen Zigarette 4800 Schadstoffe - 90 davon hoch krebserregend. Auch wenn E-Zigaretten tatsächlich weniger schädlich sein sollten, plädiert die DKFZ-Expertin Martina Pötschke-Langer für ein Verbot. Auf ein weiteres Suchtmittel könne man verzichten.
Die Gesetzeslage für E-Zigaretten in Europa ist uneinheitlich. Die EU-Kommission erwägt eine strenge Prüfung, an deren Ende ein Verbot des legalen Konsums stehen könnte. Eine Entscheidung soll es nicht vor 2012 geben. Einige Länder setzen sich für eine Einstufung als Arzneimittel ein - in Österreich ist das schon der Fall.