Entwarnung nach Ebola-Verdachtsfall in Frankfurt
Frankfurt/Abuja/Monrovia (dpa) - Ein Ebola-Verdacht am Frankfurter Flughafen hat sich nicht bestätigt. Kurz nach der Landung einer Maschine aus Äthiopien untersuchten Ärzte am Freitag einen Passagier mit Verdacht auf Ebola-Fieber noch im Flugzeug.
Der Leiter des Gesundheitsamtes, René Gottschalk, gab kurz darauf Entwarnung: „Der Passagier war kein Verdachtspatient.“ Eine Ebola-Infektion könne ausgeschlossen werden.
Der Mann hatte nach der Ankunft zunächst rein vorsorglich in die Uni-Klinik gebracht werden sollen, um auf Ebola getestet zu werden. Ein erster Test in Afrika war bereits negativ gewesen, wie die Klinik mitteilte.
Der Leiter der Infektiologie, Hans-Reinhard Brodt, sagte nach der Untersuchung in Frankfurt: „Es besteht keine Gefährdung.“ Der Mann habe vor mehr als drei Wochen die Epidemiegebiete verlassen, deshalb sei die Inkubationszeit vorüber, und von ihm gehe keine Gefährdung aus.
Die Ebola-Epidemie in Westafrika könnte indessen noch weit schlimmer sein als bisher angenommen. Mitarbeiter hätten in den betroffenen Gebieten Hinweise dafür gefunden, dass das wahre Ausmaß des Ausbruchs deutlich über den bislang bekannten Zahlen zu Krankheitsfällen und Opfern liege.
Das teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit. Offiziell erfasst waren bis zum 11. August 1975 bestätigte und Verdachtsfälle, 1069 Menschen starben.
Von dem Ausbruch sind in Guinea, Liberia und Sierra Leone vielfach sehr abgelegene Gebiete betroffen, in denen es kein effizientes Meldesystem gibt. Zudem stehen viele Menschen den Ärzten skeptisch gegenüber und vertrauen lieber traditionellen Heilern. Oft werden erkrankte Angehörige in den Häusern versteckt, um sie vor einem Transport zu Quarantänestationen zu bewahren - auch sie tauchen nicht in den offiziellen Listen auf.
Noch ist unklar, ob dies auch für Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria gelten könnte. Dort wurde inzwischen ein weiterer Ebola-Fall bestätigt: Ein Arzt habe sich mit dem Virus angesteckt, sagte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu.
Damit erhöht sich die Zahl der erfassten Infizierten im Land auf elf. Drei davon sind bereits gestorben. Von den acht Infizierten in Quarantäne sei aber mehr als die Hälfte auf dem Weg der Besserung, so Chukwu. Erwogen wird demnach, das experimentelle Ebola-Mittel „NanoSilver“ einzusetzen, das von einem nigerianischen Wissenschaftler entwickelt wurde.
Derzeit stünden in Nigeria 169 Menschen wegen Ebola-Verdachts unter Beobachtung, 163 in Lagos und 6 in Enugu, hieß es weiter. Die Fälle in Enugu gehen demnach auf eine Krankenschwester zurück, die in Lagos aus der Quarantäne floh und in die gut 500 Kilometer östlich liegende Stadt reiste. Alle bestätigten und Verdachtsfälle gehen wiederum auf einen infizierten Berater der liberianischen Regierung zurück, der im Juli in die Millionenmetropole Lagos gereist und dort am Flughafen zusammengebrochen war.
Präsident Goodluck Jonathan griff zu einer drastischen Maßnahme, um einem seit fast sieben Wochen dauernden Streik des medizinischen Personals Einhalt zu gebieten: Der Staatschef orderte die sofortige Entlassung von 16 000 Ärzten an. Dies gehe aus einer internen Mitteilung an das Gesundheitsministerium hervor, berichtete die Zeitung „Premium Times“. Das Ministerium könne nun andere Mediziner für die Behandlung von Patienten einstellen, wurde der Sprecher Isiaka Yusuf zitiert.
Mit dem Ausstand will das medizinische Personal bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter einfordern. Der Streik hat jedoch die Bemühungen um eine Eindämmung des Virus beeinträchtigt. In Nigeria leben Schätzungen zufolge fast 170 Millionen Menschen.
Welche Folgen eine Ausbreitung von Ebola für Nigeria haben könnte, zeigt das Beispiel des viel kleineren Landes Liberia: Die Notfall-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Liberia, Lindis Hurum, bezeichnete die Situation in der Hauptstadt Monrovia als „katastrophal“. Es gebe Berichte, dass sich in den vergangenen Wochen mindestens 40 Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen mit Ebola ansteckten. Die meisten Krankenhäuser der Stadt seien geschlossen, und es werde gemeldet, dass auf den Straßen und in Häusern Leichen liegen.
Dem Land droht zudem eine Lebensmittelknappheit. Das Nachbarland Elfenbeinküste hat den Schiffsverkehr aus betroffenen Ländern durch seine Gewässer verboten. Auch der Luftverkehr nimmt immer weiter ab. Um eine Ausbreitung von Ebola in den überfüllten Gefängnissen zu verhindern, ordnete das Justizministerium Liberias an, mehr als 100 Gefangene aus der Untersuchungshaft zu entlassen, denen kleinere Vergehen vorgeworfen wurden.
Auch in Sierra Leone verschlimmert sich die Lage weiter. Da Menschen unter Ebola-Verdacht ihre Häuser 21 Tage nicht verlassen dürften, könnten sie weder ihre Felder bestellen noch einkaufen, teilte die Welthungerhilfe am Freitag mit. „Im Land sind die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis bereits um bis zu 40 Prozent gestiegen.“ Die USA forderten Angehörige von Mitarbeitern der US-Botschaft im Land auf, wegen der Ebola-Epidemie das Land zu verlassen. Es mangele an medizinischer Versorgung, teilte das US-Außenministerium mit.
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte schon am Mittwoch alle deutschen Staatsbürger zur Ausreise aus Guinea, Sierra Leone und Liberia aufgefordert. Medizinisches Personal ist ausgenommen, auch die deutschen Vertretungen blieben geöffnet. In der Folge seien viele Deutsche ausgereist, sagte ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Liberia. Die Vertretung sei geöffnet, momentan sei aber nur noch ein Mitarbeiter im Einsatz: er selbst.
Mehrere Hilfsorganisationen wie die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) hatten hingegen mitgeteilt, weiter in den betroffenen Ländern aktiv zu bleiben. „Wir beurteilen die Lage selbstständig“, sagte Welthungerhilfe-Sprecherin Simone Pott, die Mitarbeiter in Sierra Leone und Liberia würden vorerst nicht abgezogen.