Forschung macht Patienten mit seltenen Krankheiten Hoffnung
Hannover (dpa) - Ein kleiner Fehler in den Genen ist die häufigste Ursache für seltene Erkrankungen. Dies gilt auch für die Down-Syndrom-Leukämie. Inzwischen gibt es eine gezielte Therapie für die Krankheit, die bei kleinen Kindern auftritt.
„Alles, nur nicht Leukämie“, dachte sich Barbara Wierse, als sie nach der Geburt von Ingmar las, welchen besonderen Krankheitsrisiken Kinder mit Down-Syndrom ausgesetzt sind. „Das war das, wovor ich am meisten Angst hatte“, erzählt die zweifache Mutter am Küchentisch der Familie in der Region Hannover. Doch dann bekam ausgerechnet ihr kleiner Sohn die seltene Krankheit.
In den 1980er Jahren wurde die Down-Syndrom-Leukämie zuerst beschrieben, damals überlebten nur 14 Prozent der Patienten. Mittlerweile liegt die Überlebensrate bei 91 Prozent - auch dank der Forschung an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Europaweit werden Kinder mit Down-Syndrom-Leukämie nach den Therapieempfehlungen aus der niedersächsischen Landeshauptstadt behandelt. So wurde beispielsweise die Dosis der Chemotherapie um die Hälfte reduziert.
Nur 20 bis 25 Kinder erkranken jedes Jahr in Deutschland an der Down-Syndrom-Leukämie, die zu den mehr als 7000 seltenen Krankheiten zählt. Der Tag der seltenen Erkrankungen 28. Februar soll auf die Situation der Betroffenen aufmerksam machen. Es sei sehr schwierig, Forschungsgelder für diesen Bereich zu bekommen, sagt Professor Dirk Reinhardt, der sich mit Ingmars Krankheit intensiv beschäftigt. Die Pharmaindustrie habe wegen des kleinen Kreises der Patienten kein wirtschaftliches Interesse.
Insgesamt sind vier Millionen Menschen im Laufe ihres Lebens von seltenen Krankheiten betroffen, häufig wird ihr Leiden erst nach einer Odyssee von Arzt zu Arzt erkannt. „Viele Patienten werden falsch therapiert“, berichtet Christoph Klein. Der Direktor der Universitätskinderklinik München hat die internationale Care-for-Rare Foundation für Kinder mit seltenen Erkrankungen gegründet und ist Sprecher der vom Bund geförderten Netzwerke für seltene Erkrankungen. Rund vier Millionen Euro fließen jährlich in die Forschungsprojekte. Notwendig sei aber deutlich mehr Engagement, auch von der Pharmaindustrie und von Bürgern. „Wir sind noch lange nicht am Ziel“, betont Klein.
Ingmars Krankheit trifft etwa ein Prozent aller Jungen und Mädchen mit Down-Syndrom (Trisomie 21). Kurz vor seinem vierten Geburtstag im März 2012 musste er den ersten Chemo-Zyklus über sich ergehen lassen. Knapp zwei Jahre später gilt Ingmar als geheilt und wartet an diesem Morgen darauf, dass seine Mutter ihn endlich in den Kindergarten fährt. Stolz führt der blonde Junge seine Gitarre vor und reitet auf seinem Steckenpferd um den Tisch. Wegen der langen Krankheit wird er erst nächstes Jahr eingeschult.
„Er hat kein Trauma aus der Zeit der Therapie zurückbehalten“, betont die Mutter. Schon eineinhalb Jahre vor dem Ausbruch der Leukämie hatte die Familie wegen Ingmars schlechter Blutwerte stets besonders vorsichtig sein müssen, um Infektionen zu vermeiden. „Auf der Station der MHH war er dann froh, mit anderen Kindern spielen zu können. Die Betreuung war toll.“ Inzwischen begeistert sich Ingmar für therapeutisches Reiten und Fußball bei den Handicap-Kickers.
Das Risiko eines Rückfalls liegt bei der Down-Syndrom-Leukämie bei unter fünf Prozent, es ist weit geringer als bei anderen Blutkrebs-Formen. „Diese Statistik ist schon beruhigend, obwohl wir auf Statistiken nach unseren ganzen Erfahrungen nicht mehr viel geben“, sagt Barbara Wierse. Die Frage „Warum unser Kind?“ dürfe man nicht stellen.