Tipps vom Experten Ibuprofen und Co: So vermeidet man eine Kopfschmerz-Karriere
Kiel (dpa/tmn) - Es pocht, es sticht, es hämmert - gerade junge Erwachsene quälen sich immer häufiger mit Kopfschmerzen. Bei vielen beginnt es früh, sagt Prof. Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel.
„Schon in den Schultaschen stecken Schmerztabletten“, sagt Göbel. Dann beginnt, was der Schmerzmediziner eine Kopfschmerzkarriere nennt - ein permanentes Hin und Her zwischen Schmerz und Tablette, bis es irgendwann gar nicht mehr geht ohne Mittel wie Ibuprofen. Genau das gilt es zu vermeiden. „Man darf den Schmerz gar nicht erst kommen lassen“, sagt Göbel.
Die meisten Kopfschmerzpatienten haben ihm zufolge entweder Migräne oder einen Spannungskopfschmerz. Wer mit Migräneattacken kämpft, sollte einen festen Tagesrhythmus einhalten. Das heißt vor allem: zur gleichen Zeit schlafen gehen und aufstehen sowie zu festen Zeiten essen. „Das Nervensystem muss zur Ruhe kommen“, erklärt der Arzt. Deswegen helfe es Migränepatienten auch, spazieren zu gehen, Sport zu treiben oder Entspannungsübungen zu machen. Kinder sollten nicht ständig beschäftigt werden, mahnt Göbel: „Sie dürfen sich ruhig mal langweilen.“
Was Migränepatienten wissen sollten: Ihre Krankheit ist biologisch begründet. Ob man sie bekommt, hängt von bestimmten Risikogenen ab. „Migräne ist keine Einbildung oder gar Charakterschwäche, sondern eine ernstzunehmende Erkrankung, der gegenüber der Einzelne allerdings nicht machtlos ist.“
Im Gegensatz zur Migräne kann einen Spannungskopfschmerz jeder bekommen. Göbel zufolge entsteht er meist durch Fehlhaltungen, zum Beispiel, weil jemand den ganzen Tag am Computer sitzt. „Der Kopfschmerz ist dann als Warnsignal zu verstehen.“ Wer nicht dagegen arbeitet, indem er regelmäßig aufsteht, Dehnübungen macht oder zum Sport geht, riskiert eine Schmerzkrankheit. Ist der Schmerz erstmal chronisch vorhanden, sei es deutlich schwieriger, ihn zu behandeln, warnt Göbel.
Junge Erwachsene haben zunehmend mit Kopfschmerzen zu kämpfen, wie der aktuelle Arztreport der Krankenkasse Barmer zeigt. Demnach ist der Anteil der 18- bis 27-Jährigen, die ärztlich diagnostizierte Kopfschmerzen haben, binnen zehn Jahren um 42 Prozent gestiegen. Fast 10 Prozent der Deutschen gehen mindestens einmal jährlich wegen Kopfschmerzen zum Arzt. Viele von ihnen nehmen demnach Schmerzmittel.
Aber warum ist es schädlich, einfach Tabletten einzuwerfen, wenn der Schädel dröhnt? „Der Körper regelt das Schmerzempfinden selbst“, erklärt Göbel. Im Stress zum Beispiel ist der Mensch deutlich empfindlicher. Nimmt man eine Schmerztablette, hilft sie zwar erstmal. Der Körper merkt sich diesen Zustand aber - und regelt die Schmerzgrenze herunter. Die Folge: Der Mensch wird schmerzempfindlicher und nimmt noch eher eine Tablette. „Irgendwann können die Leute dann gar nicht mehr ohne Tabletten“, warnt der Arzt.
Grundsätzlich sei es hilfreich, Experte für das eigene Leiden zu werden, rät Göbel - also genau zu wissen, in welchen Situationen der Schmerz kommt und welche Strategien helfen, damit das nicht passiert. Dafür gibt es mittlerweile spezielle Apps. Die Schmerzklinik Kiel stellt Patienten beispielsweise die kostenlose Migraine-App für iOS zur Verfügung, eine Android-Version soll bald folgen. Sie wurde in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse entwickelt.