„Schärfe“ aus dem Gewächshaus: Paprika-Saison startet

Hemmingstedt (dpa) - Neun von zehn Paprika, die in Deutschland auf den Tisch kommen, stammen aus dem Ausland. Feinschmecker können auch heimische Ware genießen. Seit diesem Jahr gibt es auch scharfe Peperoni original aus Schleswig-Holstein.

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Schleswig-Holstein startet mit einer Portion Extra-Schärfe in die Paprika-Saison. Mit kleinen Peperoni will die Dithmarscher „ Gemüsefabrik“ in diesem Jahr erstmals auch die Lust der Deutschen an scharfem Essen bedienen, sagt Projektmanager Frank Schoof in Hemmingstedt bei Heide. Welche Schärfe die norddeutschen Peperoni auf der internationalen Scoville-Skala erreichen, weiß er jedoch (noch) nicht. Bislang wurde nicht getestet, wie stark die kleinen Scharfen im Mund brennen, erklärt Betriebsleiter Jens Kühn. „Aber sie sind very hot“, sagt er.

Das Paprikagewächshaus in Hemmingstedt gilt als eines der Größten in Deutschland. Die Anlage hat eine Fläche von zwölf Hektar - das entspricht 17 Fußballfeldern - und ist vollgestopft mit Hightech. Trotzdem lächelt Manager Schoof bei der Bezeichnung „Gemüse-Fabrik“ gequält, denn bei diesem Wort vergisst man schnell, dass für die 65 Mitarbeiter in dem Betrieb hauptsächlich Handarbeit angesagt ist. „Nicht nur die Ernte, auch die Pflege der Pflanzen ist sehr personalintensiv“, sagt Betriebsleiter Kühn.

Kühn ist als Gärtnermeister „Herr“ über die 98 000 Tomaten- sowie 202 000 Paprika-Pflanzen. An ihnen wachsen bis zum Jahresende 2500 Tonnen Strauchtomaten, Cherry-Strauchtomaten und Dattel-Tomaten sowie 1500 Tonnen rote, gelbe und orangefarbene Paprika, Spitzpaprika und - seit diesem Jahr - Peperoni.

Modernste Computertechnik sorgt dafür, dass die 256 Reihen Tomaten- und die 362 Reihen Paprika-Pflanzen über sogenannte Nährstoffmatten mit der optimalen Menge Regenwasser und Dünger versorgt werden, schildert Kühn. Gleichzeitig wird über Sensoren die Temperatur geregelt: unabhängig vom rauen Norddeutschen Schmuddelwetter Tag und Nacht angenehm auf warme 21 Grad.

Dafür bezieht die „Gemüse-Fabrik“ günstige Fernwärme von der benachbarten Raffinerie. Die Wärme wird innerhalb des Glasgebäudes mittels 68 Kilometern Heizungsrohre verteilt. Im Schnitt verbraucht das Gewächshaus 1200 Megawattstunden Wärme pro Woche - eine Menge, die für 600 Einfamilienhäuser ein ganzes Jahr lang reichen würde. Der Klima-Computer regelt gleichzeitig ganz penibel die Luftfeuchtigkeit. 70 Prozent brauchen die Tomaten, bei Paprika muss es mit 75 bis 80 Prozent etwas mehr sein.

Da die Pflanzen zum ordentlichen Gedeihen nicht nur Treibhausklima brauchen, sondern auch Licht, werden die Fenster des Mega-Gewächshauses mindestens einmal pro Jahr von Außen geputzt. 10 000 Euro berechnen die Fensterputzer für diesen Job. „Von drinnen putzen wir selber“, sagt Kühn.

Das ist neben der Ernte jedoch nicht die einzige Aufgabe der Mitarbeiter. Zu ihrem Job gehört unter anderem das Brechen von Blättern an den Pflanzen: „Damit wir ernten können und die Sonne besser hindurch scheint.“ Außerdem müssen die Fruchtstiele gekürzt und die insgesamt 300 000 Pflanzen regelmäßig höher gebunden werden. „Sie wachsen pro Woche bis zu sieben Zentimeter“, erklärt Kühn. Dabei schlängeln sie sich an dünnen Schnüren immer weiter in die Höhe. Bis zum Jahresende werden die Tomaten 12 bis 15 Meter lang sein, die Paprika enden bei vier Metern.

Natürlich wird das ganze Jahr über auf Blättern und in den Blüten nach Schädlinge gesucht - zum Teil sogar mit einer Lupe: Nach dem Fransenflügler Thrips (er zerbeißt die Blüten, so dass unförmige Früchte wachsen), der roten Spinnmilbe (sie zerstört die Blätter) und nach Blattläusen - die saugen die Blätter an und schränken die Assimilation ein. Werden solche Eindringlinge entdeckt, schickt Kühn seine biologische „Pflanzenschutzpolizei“ in den Kampf. Neben Raubwanzen (orius laevigatus), Raubmilben (phytoseiulus persimilis) und Schlupfwespen (aphidius ervi) sorgen Gallmücken (aphidoletes aphidimyza) und kleine schwarze Käfer mit dem Namen Orius für eine giftfreie Ordnung unter dem Glasdach. „Marienkäfer wären auch gut, sie fressen aber zu langsam“, sagt Kühn.

Die reifen Früchte werden von April bis November von den Mitarbeitern und Erntehelfern sorgfältig per Hand gepflückt und in Pappkartons sortiert, um dann über den Hamburger Großmarkt an den Einzelhandel in ganz Norddeutschland zu gelangen. „Produkte aus der Region liegen im Trend, die Nachfrage ist groß“, sagt Schoof.