Transplantation: 12 000 warten auf Organspenden
Noch immer haben zu wenig Deutsche einen Spenderausweis, der Leben retten kann. Manche Kranke warten zehn Jahre auf das Spenderorgan.
Hannover. Als Burkhard anderthalb ist, erkrankt er an Masern und Lungenentzündung. Die Ärzte stellen krankhafte Erweiterungen der Atemwege fest, die das Lungengewebe zerstören. Als er 35 ist, sagen ihm die Ärzte, dass er ohne neue Lunge sterben muss. Da hat ihn seine Krankheit bereits zum Frührentner gemacht. Doch der Sozialpädagoge aus Hannover will kämpfen. Er lässt sich auf die Warteliste für eine Organspende setzen. Es dauert zehn quälende Jahre, bis der Anruf kommt: Am 25. Februar 2002 endlich bekommt er sie - seine neue Lunge. Jetzt genießt der 46-Jährige sein neues Leben und hofft auf den medizinischen Fortschritt. Denn das Leben mit einer Spenderlunge ist zeitlich begrenzt. "Wenn ich damit zehn Jahre leben kann, wäre das eine gute Perspektive." Viele sterben, bevor ein passendes Organ gefunden ist Zwar hat die Zahl der Organspenden in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. So stieg die Zahl der Transplantationen von 3910 im Jahr 2005 auf 4032 im vergangenen Jahr. Dennoch warten rund 12 000 Menschen auf ein Spenderorgan, davon allein 10 000 auf eine Niere. Viele Menschen sterben, bevor ein Organ zur Verfügung steht, vor allem Patienten, die auf ein neues Herz oder eine neue Leber warten. "Bei Herz-, Leber- oder Lungenversagen ist die Organtransplantation die einzige Möglichkeit, ein Menschenleben zu retten", betont der Bundesverband der Organtransplantierten (BDO). Dabei haben laut Umfragen mehr als 80 Prozent der Deutschen eine positive Einstellung zur Organspende. Aber nur zwölf Prozent haben einen Organspendeausweis. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) hat ausgerechnet, wie viele Spenderorgane zur Verfügung stehen müssten, damit keine Patienten auf der Warteliste sterben. Das wären 3500 Nieren, 400 Lungen, 900 Herzen und 1100 Lebern. Einwilligung zu Organspende kann widerrufen werden "Bei diesem Thema gibt es diffuse Ängste und viel Emotionalität", sagt Birgit Blome, Sprecherin der DSO. "Wer sich aber damit auseinandersetzt, ist erfahrungsgemäß viel eher zu einer Organspende bereit." Denn das für viele so heikle Thema ist in Deutschland sensibel geregelt: Die Einwilligung zur Organspende kann jederzeit widerrufen werden. Bestimmte Organe können von der Spendebereitschaft ausgeschlossen werden. Nach dem deutschen Transplantationsgesetz ist der sichere Todesnachweis nach den Richtlinien der Bundesärztekammer Voraussetzung für eine Organentnahme - das heißt: Zwei dafür qualifizierte Ärzte, die selbst nicht mit der Transplantation befasst sind, müssen unabhängig voneinander den Hirntod feststellen. Wer aber nichts tut, verschiebt die Entscheidung auf seine Angehörigen. Sie müssen dann sehr schnell und unter großer Belastung entscheiden, was der Betroffene wohl gewollt hätte. Denn das deutsche Transplantationsgesetz von 1997 sieht eine "erweiterte Zustimmungslösung" vor: Organe eines Toten dürfen nur entnommen werden, wenn entweder der Verstorbene sich zu Lebzeiten für eine Organspende ausgesprochen hat oder wenn die Angehörigen dem zustimmen. Die meisten europäischen Länder haben die Organspende anders geregelt - und auch mehr Organspender. Dort gilt die "Widerspruchsregelung". Das bedeutet: Hat ein hirntoter Patient einer Organspende nicht bei Lebzeiten widersprochen, gilt er automatisch als Organspender. FAKTEN ZUR TRANSPLANTATION IN DEUTSCHLAND Spenderorgane: Postmortal, also nach dem Tod, können in Deutschland die Organe Niere, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm transplantiert werden. Transplantation: Die häufigste Transplantationsart mit mehr als 4000 Operationen pro Jahr ist allerdings die Übertragung eines Gewebes, nämlich der Augenhornhaut. Auch Gehörknöchelchen, Knochen- und Knorpelgewebe oder Sehnen können von Ärzten transplantiert werden. Spenden kann fast jeder Mensch. Wichtig ist der Gesundheitszustand, vor allem der Zustand der betreffenden Organe. Ab dem 16. Lebensjahr können Jugendliche selbstständig einer Organspende zustimmen. Leidet der potenzielle Spender an Krebs, Hepatitis oder HIV oder an einer Blutvergiftung, schließt das eine mögliche Organspende zumeist aus. Geschichte: Seit der ersten Nierentransplantation im Jahre 1963 sind in Deutschland über 79 000 Organe übertragen worden. Jeden Tag werden in Deutschland durchschnittlich 11 Organe übertragen. Adressen: Allein in NRW gibt es acht Kliniken in denen transplantiert wird: Düsseldorf, Köln, Bonn, Aachen, Essen, Bochum, Münster und Bad Oeynhausen