Gefahr für Mitmenschen Zehn Jahre Nichtraucherschutzgesetze - wo steht Deutschland?
Berlin (dpa) - Immer wenn Peter Falk als Inspektor Columbo seine Kriminalfälle im Fernsehen löste, waren sie dabei: eine billige Zigarre und eine stattliche Qualmwolke. Das wirkte in den Siebzigerjahren nicht nur furchtbar lässig, es war auch gesellschaftlich akzeptiert.
Kein Ort in den Nachkriegsjahrzehnten, der vor dem blauen Dunst sicher war, überall wurde gequalmt. Wer sich heute alte Filme und Serien ansieht, realisiert, wie viel sich seither verändert hat. Ein ständig rauchender TV-Kommissar? Mittlerweile kaum vorstellbar.
Doch noch immer ist Tabakkonsum weit verbreitet und gilt als das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Nach Erhebungen des Robert Koch-Instituts (RKI) rauchen jeder vierte Mann und jede fünfte Frau täglich oder gelegentlich. Jährlich sterben hierzulande laut Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) 121 000 Menschen an den Folgen des Rauchens - das sind 13,5 Prozent aller Todesfälle. Neben Herzinfarkten, Schlaganfällen und Asthma zählt vor allem Lungenkrebs zu den gefährlichsten Gesundheitsrisiken. Laut RKI-Schätzung wird die Zahl der Lungenkrebs-Neuerkrankungen von 53 900 im Jahr 2014 auf rund 57 000 im Jahr 2020 steigen.
Ein zentrales Problem liegt darin, dass Rauchen nicht nur den Raucher selbst, sondern auch seine Mitmenschen schädigt. „Wenn man raucht, gehen 85 Prozent des Qualms in die Raumluft. Natürlich wird er dort verdünnt, aber trotzdem nehmen anwesende Nichtraucher ein bis zehn Prozent der Schadstoffe auf, die ein Raucher inhaliert“, erklärt der Toxikologe Friedrich Wiebel vom Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit (ÄARG). „Langfristig kann Passivrauchen dieselben Erkrankungen verursachen wie das aktive Rauchen - bis hin zum Lungenkrebs.“
Dass sie ihrem Körper und ihren Mitmenschen schaden, wissen die meisten Raucher - den Griff zur Zigarette können sie dennoch nicht lassen. „Fast zwei Drittel aller Raucher, egal ob männlich oder weiblich, haben schon mal versucht aufzuhören“, sagt Michaela Goecke von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). „Das Suchtpotenzial von Nikotin ist enorm hoch. Es kann schnell eine psychische und körperliche Abhängigkeit entstehen.“ Deshalb sei Prävention gerade bei jungen Menschen wichtig. „Wer bis zu einem Alter von 18 oder 20 Jahren nicht mit dem Rauchen anfängt, der tut es in der Regel auch im späteren Leben nicht“, erklärt Goecke.
Entsprechend vielfältig und weitreichend sind die politischen Maßnahmen, die dem Tabakkonsum entgegenwirken und Nichtraucher schützen sollen. So führten starke Steuererhöhungen in den Jahren 2002 bis 2006 zu einem Rückgang der Zahl vor allem jüngerer Raucher. Im Jahr 2004 wurde Tabakwerbung in der EU verboten - nur in Deutschland blieben Kinospots und große Werbetafeln an Straßen erlaubt. Drei Jahre später traten die ersten deutschen Nichtraucherschutzgesetze in Kraft, sie sahen flächendeckende Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen vor. Und seit Mai 2016 müssen auf Zigarettenschachteln sogenannte Schockbilder abgedruckt werden, die unter anderem Leichen und vergammelte Zähne zeigen.
Die Auswirkungen dieser Maßnahmen bewerten Mediziner und staatliche Stellen als vielversprechend. „Sehr schnell und deutlich haben sich die Zahlen der Herzinfarkte verändert. Es lässt sich beobachten, dass die Einlieferungen in Krankenhäuser wegen akuter Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach Einführung der Nichtraucherschutzgesetze zurückgegangen sind“, sagt Katrin Schaller vom DKFZ. Bei den Zahlen zum Lungenkrebs sei Geduld gefragt, weil bis zum Auftreten erster Symptome oft lange Zeit verginge. Ein positiver Einfluss lasse sich deshalb erst in vielen Jahren erkennen.
„Ein bedeutendes Ergebnis der Maßnahmen ist aber schon jetzt, dass Rauchen an Präsenz verliert“, sagt Schaller. „Heute wundert man sich schon fast, wenn in Lokalen überhaupt noch geraucht wird. Das ist ein wichtiger Effekt, gerade im Hinblick auf Jugendliche.“ Angesichts der Veränderungen spricht das Robert Koch-Institut in seinen Publikationen bereits davon, die „Rauchfreiheit“ habe sich in Deutschland zur gesellschaftlichen Norm entwickelt.
Eine Einschätzung, die von der Tabakindustrie nicht geteilt wird. Jan Mücke vom Deutschen Zigarettenverband (DZV) verweist auf den weiter hohen Raucheranteil in der Bevölkerung: „Diese Menschen haben einen Anspruch darauf, dass sie von einer oberen Bundesbehörde wie dem Robert Koch-Institut nicht diskriminiert oder als abnorm dargestellt werden. Eine derartige Einordnung ist skandalös und abwegig.“ Es sei zudem nicht Aufgabe staatlicher Stellen, erwachsene Menschen zu erziehen. „Zu unserer individuellen Freiheit gehört auch die Freiheit, einmal unvernünftig zu sein“, sagt Mücke.
Friedrich Wiebel vom ÄARG hält solche Argumente für höchst problematisch. Die Tabakindustrie sehe die Verantwortung stets nur bei den Verbrauchern statt bei sich selbst. „Dabei gehört es schlicht nicht zu den Rechten der Zigarettenhersteller, einen Anreiz zur Selbst- und Fremdbeschädigung zu setzen.“