Hausbau 50 Plus Bauen im besten Alter: Geht das noch?
Jung betten, um im Alter gut zu liegen: So besagt es eine alte Regel. Doch geht es auch anders? Erst dann oder nochmals das Projekt Eigenheim angehen, wenn man ganz entfernt am Horizont schon den Renteneinstieg sehen kann? Grundsätzlich kann das funktionieren, aber man sollte dabei einiges beachten.
Eigentlich ist es ein Fall für die Statistiker: statistisch gesehen bauen die Deutschen mit rund 38 Jahren ihr erstes Häuschen. Vor wenigen Jahrzehnten war diese Zahl noch deutlich niedriger. Doch was, wenn man altersmäßig weit jenseits dieser 38 Jahre liegt und trotzdem ein Eigenheim möchte? Bauen mit 50, 55 oder gar noch später? Das geht. Aber vieles, was als buchstäblich in Beton gegossen gilt, muss man dann anders angehen. Was und wie, zeigt unser folgender Ratgeber.
Statistik ist nur ein Zahlenspiel
Nun mag es Leser geben, die sich die berechtigte Frage stellen, ob der Spruch, dass man ab einem gewissen Alter zu alt für manches sei, nicht auch auf den Hausbau zutrifft. Die Antwort, ein klares Nein.
Denn zunächst muss man ja mal bedenken, dass die Zeiten, in denen man seine jugendliche Leistungsfähigkeit benötigte, um vieles am Bau selbst machen zu können, jetzt vorbei sind. Es gibt mehr als genug Möglichkeiten, bei Bauträgern Gesamtpakete zu buchen, bei dem man nichts weiter tun muss, als den Handwerkern zuzusehen und sich auf die Arbeit als Entscheidungsträger für Fliesenfarbe, Tapetenmuster und Lichtschaltermodelle zu fokussieren.
Hinzu kommt, dass gerade die Lebensjahre jenseits der 50 sogar einige deutliche Vorteile für den Hausbau haben. Beziehungen haben sich dann meistens schon über Jahrzehnte bewährt, werden nicht an dem großen Beziehungskrach-Bringer Hausbau scheitern. Zudem haben viele in diesem Alter beträchtlich höhere Finanzreserven angespart als es bei vielen in den 30ern der Fall ist und gleichsam steht man auch meistens fester und höher auf der Karriereleiter.
Deshalb gilt: Ja, im gesetzteren Alter ist bauen nicht nur möglich, sondern sehr gut möglich. Egal, was Freunde/Nachbarn/Kollegen auch dazu sagen werden.
Planen ohne Kinderzimmer
Im Eingangstext wurde bereits angeschnitten, dass man beim Bauen im Alter vieles anders angehen muss. Dieser Punkt ist dabei der wohl wichtigste. Denn wenn man Kinder hat, die bis dato noch bei einem wohnen, sollte man entweder noch die wenigen Jahre abwarten, bis sie selbst ausziehen (was bei uns statistisch mit 23,7 Jahren passiert) oder, falls sie nur aus Bequemlichkeit/Sparsamkeit noch mit ihren Eltern zusammenleben, darüber nachdenken, sie – höflich formuliert – in die weite Welt zu entlassen.
Für ein Paar in den 30ern, selbst wenn es noch keine Kinder hat, ist es vollkommen okay und sinnvoll, ihr Haus so zu planen, dass es groß genug für zwei, vielleicht sogar drei Kinder ist. Für Menschen jenseits der 50, auch wenn ihre Kinder noch bei ihnen wohnen, wäre das indes die reinste Geldverschwendung. Denn egal wie man es dreht und wendet, der Zeitpunkt, an dem selbst ausgesprochene Nesthäkchen auf den eigenen Beinen stehen wollen, steht dicht vor der Tür.
Das Geld für die Nachwuchs-Räumlichkeiten, das man sowohl für den Bau wie den Unterhalt der nach dem Auszug leeren Zimmer berappen muss, kann man sich sparen. Denn dass die Sprösslinge dann nach spätestens zwei Jahren Adieu sagen, ist ziemlich wahrscheinlich. Dann sitzt man in einem viel zu großen Haus mit leeren Räumen. Wer jenseits der 50 ins Eigenheim will, sollte nur für sich und den Partner planen und bauen.
Rein in die Peripherie
Die meisten jungen Familien lassen sich bei der Lage ihres Häuschens vor allem von einem leiten: Dem Wunsch danach, die Kinder in ländlicher Ruhe aufwachsen zu lassen. Das können sie auch. Denn sie sind mobil, haben keine besonderen Bedürfnisse und solange Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und die Arbeit halbwegs komfortabel per Auto zu erreichen sind, gibt es auch nichts, was dagegenspräche.
Anders jedoch für Best-Ager. Hier muss man sich einfach mit der nüchternen Realität befassen, dass der Teil des Lebens, an dem sich gewisse Altersgebrechen einstellen, näher rückt. Auch wenn er jetzt vielleicht noch weit entfernt scheint. Sich verschlechternde Augen, verlangsamende Reaktionen sprechen ebenso gegen eine Eigenheimlage, die man nur per Auto verlassen kann, wie die Tatsache, dass der Landarztmangel bei uns in NRW so gravierend ist, dass die Landesregierung höchstselbst künftig Quotenplätze an den Unis vergeben will.
Auf gut Deutsch: Wenn man nicht im Alter auf dem platten Land leben muss, etwa, weil einen das in jungen Jahren gebaute Häuschen daran bindet, sollte man auch nicht danach streben. Fürs Bauen in diesem Alter sind die Peripherie-Ränder der großen Städte jenseits der 50.000 Einwohner ideal. Dort ist die Versorgungslage wesentlich besser und man kann auch mal das Haus verlassen, ohne aufs Auto angewiesen zu sein.
Kein K(r)ampf mit der Bank
Dieser Punkt räumt mit einem weit verbreiteten Irrglauben auf. Denn viele Menschen denken, dass einem ab einem gewissen Alter keine Bank mehr die mehreren hunderttausend Euro leihen würde, die man selbst für ein kleines Häuschen heute aufwenden muss. Stimmt nicht. Altersbeschränkungen gibt es selten bis nie. Wer noch mitten im (Berufs-)Leben steht, wird in der Regel keine Probleme haben, eine positive Zusage zur Kreditanfrage zu bekommen.
Natürlich muss man dennoch einiges anders angehen, dass betrifft besonders die Grundregeln einer sauberen Planung. Bei der Budgetierung sollte man konsequent jeden Cent, den man bislang beiseitegelegt hat, als Eigenkapital mit einberechnen, auch wenn diese vielleicht andere Zwecke erfüllen sollten. Falls man schon ein Haus besitzt, sollte man es veräußern (was mitunter den gesamten Neubau finanziert) oder es zumindest vermieten, nicht aber beispielsweise den Kindern unentgeltlich überschreiben.
Wenn man zur Bank geht, sollte man ein Volltilgungsdarlehen anstreben. Das belastet einen monatlich zwar höher, doch das kann man sich jetzt eher leisten, wenn finanzielle Ausgaben etwa für die Kinder wegfallen. Denn der Vorteil dieser Darlehensform ist es, dass Laufzeitende und Abtragungsende gleichzeitig anstehen. Ein fester (und just aktuell noch sehr niedriger) Zinssatz bis zum Schluss. Mit etwas Glück ist alles abbezahlt, wenn die Lebensarbeitszeit vorbei ist.
Ganz wichtig: Wie noch zu lesen sein wird, wird auch beim Haus selbst das Thema Alter ganz großgeschrieben. Das sollte man nicht alleine bezahlen, sondern es sich vergolden lassen. Das Land Nordrhein-Westfalen bietet jährliche Wohnraumförderungsprogramme, die auch barrierefreies Bauen inkludieren. Diese Förderungsgelder sollte man mitnehmen, denn die damit verknüpften Einbauten sind für ein altersgerechtes Wohnen durchaus sinnvoll.
Flach, kompakt und clever
Womit wir auch beim Thema wären: Was für eine Art Haus sollte man eigentlich als Best Ager bauen? Die groben Eckdaten ergeben sich schon aus der erwähnten Tatsache heraus, dass man nicht mehr die Kinder inkludieren sollte. Das sind also schon mal mindestens zwei Schlafzimmer weniger, vielleicht auch noch ein Badezimmer.
Das perfekte Best Ager/Seniorenhaus gibt es zwar nicht. Aber einig sind sich Experten darin, dass die Fläche 100 Quadratmeter nicht übersteigen sollte. 90 oder gar 80 reichen völlig für zwei. Solche kleinen Häuser haben mittlerweile auch viele Fertighausanbieter in ihrem Repertoire. Solcherlei Klein-Bau lohnt nicht nur wegen der geringeren Bau- und Unterhaltskosten, sondern weil auch jeder Quadratmeter mehr ein Mehr an Putz- und Pflegeaufwand bedeutet. Zudem erleichtert er es, das Haus auch dann noch vollständig nutzen zu können, wenn man beispielsweise altersbedingt in seiner Mobilität eingeschränkt wird.
Das bezieht sich nicht nur auf Rollstühle. Auch mit normalen Altersgebrechen zwischen schmerzenden Gelenken und ziependen Muskeln kann es eine regelrechte Qual sein, täglich mehrfach Treppen gehen zu müssen. Es gibt bei vielen „Familienhäusern“, wie sie auf dem Markt angeboten werden, auch noch andere Standards, die nicht wirklich altersgerecht sind. Für sein Best-Ager-Haus sollte man deshalb vornehmlich folgende Punkte fokussieren:
· Es ist ebenerdig gebaut, steht also nicht auf einem Hochsockel, der es notwendig macht, mehrere Stufen zu überwinden, um an die Haustür zu gelangen. Eine Stufe ist das Maximum.
· Große Glasflächen, womöglich noch solche, die über mehrere Stockwerke reichen (wird heutzutage gerne bei Einfamilienhaus-Treppenhäusern als Tageslichtquelle verwendet) sollten tabu sein. Eine „normale“ Anzahl von Fenstern, die sich auch ohne Leiter, höchstens mit einem Tritt putzen lassen, ist wesentlich sinnvoller.
· Der Grundriss sollte „offen“ sein. Er enthält dementsprechend vergleichsweise wenige Wände im Innenbereich. Das lässt primär ein kleines Haus wesentlich größer wirken als es eigentlich ist, hat aber auch noch Vorteile bei eingeschränkter Mobilität: Wo keine Türen sind, muss man sie nicht breiter bauen, muss man keine Schwellen weglassen. Wenn die großen Räume zu groß wirken, kann man sie durch beidseitig verwendbare Raumteiler optisch verkleinern und in jedem Fall die Möblierung dieser Bauphilosophie anpassen.
· Das Haus kann durchaus mit Keller geplant werden und zwar als Einliegerwohnung. Das erhöht die Baukosten um einen zweistelligen Prozentsatz. Aber es ist die einzige sinnvolle Möglichkeit, jetzt noch so zu bauen, dass eventuell doch noch Kinder im Haus leben können. Sei es nur dann, wenn sie zu Besuch kommen. Falls nicht, ist der Keller jetzt ein probater Lagerraum, weil der Rest des Hauses recht klein ist. Falls einer der Bewohner später einmal wirklich pflegebedürftig werden sollte, kann die Pflegekraft komfortabel in der Einliegerwohnung untergebracht werden.
· Es ist im Idealfall ein Bungalow, weil das sämtliche Treppen-Probleme an der Wurzel eliminiert. Falls das nicht gewünscht ist, sollte das Haus maximal anderthalbstöckig sein und scharf darauf geachtet werden, dass die Treppe gerade ist, also keine 90- oder gar 180-Grad-Wendung macht.
· Auch mit Keller sollten Waschmaschine, Trockner und Co. im Parterre einen kleinen Hauswirtschaftsraum bekommen, damit man sich nicht mit Wäscheladungen über Treppen plagen muss.
· Falls das Haus zwei Etagen hat, sollte auf jeder davon ein WC eingeplant werden. Für jeden Gang zur Toilette, insbesondere nachts, Treppen gehen zu müssen ist höchst unkomfortabel und in späteren Jahren unfallträchtig.
· Der Garten sollte so klein gehalten werden, dass man ihn auch im Alter noch in Sachen Pflege im Griff haben kann. Auch Gärten unterhalb der 100 Quadratmeter kann man ansprechend gestalten. Vor allem hat das auch den Vorteil, dass das Baugrundstück insgesamt klein bleiben kann. Vorteilhaft für die Gesamtkosten.
Natürlich schränken diese Punkte die architektonische Wahlfreiheit ziemlich ein. Aber sie sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie stehen alle nur damit in Verbindung, dass jemand, der mit 50, 55 oder 60 baut, zwar jetzt noch topfit sein kann, aber eben in wenigen Jahren ein Senior ist, mit sämtlichen Nachteilen, die sich daraus ergeben können, nicht müssen. Dann noch große seniorengerechte Umbauten durchzuführen, wäre überflüssig, stressig und teuer.
Clever eingerichtet ist halb gewonnen
Den meisten Lesern dürfte klar sein, dass ein solches Best-Ager-Haus nicht mit der passenden Lage und Bauweise endet. Auch im Innenraum und der Einrichtung sollte man schon in der Bauphase das inkludieren, was vielleicht erst in zehn, fünfzehn Jahren wirklich notwendig werden wird. Denn einen Vorteil haben die folgenden Punkte alle gemeinsam: Wenn man sie wirklich braucht, sind sie zwar lebensnotwendig. Aber schon vorher machen sie das Leben im neuen Haus ungleich komfortabler.
· Die Dusche sollte möglichst geräumig und auf jeden Fall vollkommen ebenerdig ohne jede Schwelle sein. Für den Boden empfiehlt es sich, auf ausreichend rutschfeste Materialien zu setzen. Auskunft darüber gibt die sogenannte Rutschfestigkeitsklasse. Auf Fliesen und anderen Belägen hat man dann auch bei feuchter oder nasser Oberfläche einen sicheren Tritt.
· Die Rollläden sowie sämtliche zu öffnenden Fenster, die man nur mit Verrenkungen erreichen kann, sollten Elektroantriebe bekommen oder sich sogar zeitgesteuert von selbst regulieren.
· Für maximalen Komfort und ein Mehr an Wohnraum durch Verzicht auf große Heizkörper sollte das Haus ausschließlich mit einer Fußbodenheizung versehen sein.
· Die Küchenzeile sollte lieber breit statt hoch sein. Neumodische, sehr hohe Schränke, für die selbst große Menschen einen Tritt benötigen, sind einfach nur unkomfortabel, erst recht im Alter.
· Für die Böden im Haus bieten sich Beläge aus Naturholz an. Sie haben den Vorteil, pflegeleicht zu sein, sind aber gleichsam rutschfest und trotzdem nicht, wie etwa ein Teppichboden, ein regelrechtes Hindernis für Rollstuhl- und Rollatorenräder.
· Man sollte sich vorher mit dem Thema Smart Home auseinandersetzen. Denn das lässt sich während der Bauphase um einiges einfacher integrieren als nachträglich. Perfekt ist alles, was es einem ermöglicht, das ganze Haus bequem von der Couch aus zu steuern (siehe Grafik). Vor allem Beleuchtung, Heizung und gerne auch die Kommunikation mit Menschen vor der Haustür.
· Bei den ohnehin vorgeschriebenen Rauchmeldern sollte man ebenfalls auf „smarte“ Geräte vertrauen. Löst einer aus, alarmiert er nicht nur alle anderen, sondern hat auch die Option, via Internet auf dem Handy zu alarmieren. Dies wird spätestens dann sinnvoll, wenn man seine wohlverdiente Rente gerne mit Reisen verbringen möchte.
· Die Beleuchtung sollte in allen Räumen üppiger ausfallen als man es eigentlich tun würde. Bei praktisch allen Menschen lässt im Alter die Sehkraft nach, besonders im Bereich der Bildhelligkeit, oft auch schon ab dem 50. Lebensjahr.
Bei allen anderen Punkten sollte man sich von einem Gedanken leiten lassen: Man hat durch das kleine Grundstück, das ähnlich kleine Haus wahrscheinlich eine ziemlich hübsche Summe im Vergleich zum typischen „Jungfamilien-Eigenheim im Grünen“ eingespart. Dieses Geld sollte man nutzen, um es sich in Sachen Einrichtung richtig gut gehen zu lassen. Hohes Boxspringbett, riesiger Fernseher, Couch und Sessel mit Relaxfunktion, um nur einige zu nennen. Das hat man sich als Best Ager buchstäblich verdient.
Tipps für den Hausbau
Unser finales Kapitel widmet sich der unmittelbaren Bau- und Umzugsphase. Wie bereits erwähnt, sollte man für das Haus selbst eine Komplettlösung anstreben. Also beispielsweise einen Anbieter, bei dem sämtliche Leistungen aus einer Hand kommen oder einen Architekten, der auch die beteiligten Firmen aussucht und beauftragt.
Ganz einfach ausgedrückt: Man selbst sollte an diesem Altersruhesitz keinen Handschlag ausüben. Die Anstrengung und das Risiko, seinen alternden Körper dabei überzustrapazieren (Stichworte Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall) kann man sich getrost sparen. Falls es ein Fertighaus ist, sollte man zudem überlegen, ob man die Zeit des Baus, selbst mit Keller ist das eine Sache von maximal drei Wochen, nicht einfach komplett im Urlaub verbringen möchte.
Für die anstehenden Abnahmen indes muss man jedoch anwesend sein und sei es nur deshalb, um Unterschriften zu leisten. Übrigens sollte man dabei jedoch noch peinlich genauer sein, als es sowieso geboten ist. Dass an einem Haus Fehler passieren, ist normal. Sich jedoch auf vielleicht jahrelange Rechtsstreits einzulassen, ist störend, stressig und überflüssig.
Auch beim Umzug gilt: Das können andere machen. Im Zweifelsfall die klassischen starken Möbelpacker. Vielleicht auch der Nachwuchs, wozu hat man schließlich Kinder?
Fazit
50 ist das neue 30. Das gilt nicht nur für humorige Buchtitel und Geburtstags-T-Shirts, sondern auch für den Hausbau. Es kann sich sogar wirklich lohnen, mit dem Eigenheim zu warten, bis die Kinder aus dem Haus sind. Denn dann kann man für einen Lebensabschnitt planen, der mit etwas Glück noch 40+X Jahre andauert. Jahre, in denen man die Seele in seinem Haus baumeln lassen kann, statt es nur als Schlafplatz zwischen den Arbeitstagen anzusehen.