Der Duft des Neuen: Was nach dem Möbel-Kauf zu tun ist
Bad Honnef (dpa/tmn) - Im Auto ist er durchaus gewollt: der Duft des Neuen. Es gibt sogar Sprays, die ihn immer wieder auffrischen. Aber bei Möbeln rümpfen Käufer die Nase, wenn die Neuanschaffung stark bis streng riecht.
„Dabei ist es völlig normal, dass auch Möbel einige Zeit einen Neugeruch verbreiten“, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef bei Bonn. Zwei bis drei Wochen sollte man neuen Möbeln Zeit geben, ihren Geruch nach Klebstoffen, Lösemitteln oder Imprägnierungen loszuwerden.
„Sie müssen dafür nicht auf den Balkon oder in den Garten verbannt werden“, sagt Geismann. Wenn sie an ihrem Platz in der Wohnung stehen, genügt es, ausreichend zu lüften. Hilfreich ist es, sie mehrmals mit einem in Essigwasser befeuchteten Tuch auszuwischen.
Verzieht sich der Geruch aber nach mehreren Wochen nicht, ist das ein Grund für eine Reklamation. „Auch gesundheitliche Symptome wie brennende oder tränende Augen, juckende Haut oder Niesen müssen Kunden nicht hinnehmen“, betont Geismann. Ralf Diekmann vom Tüv Rheinland ergänzt Symptome wie Atemwegsreizungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und allgemeine Abgeschlagenheit.
„Materialtypische Gerüche, zum Beispiel bei einer Ledercouch, sind meist selbst über einen längeren Zeitraum für den Menschen unproblematisch“, sagt Diekmann. Aber auch er betont: Sind die Gerüche stechend oder beißend und nach Wochen trotz ausgiebigem Lüften nicht verschwunden, sollte man unbedingt Kontakt zum Hersteller aufnehmen und ihn mit dem Mangel konfrontieren.
Denn wenn Schränke oder Betten, aber auch neue Bodenbeläge über längere Zeit unangenehm riechen, könnte das an gesundheitsgefährdenden Stoffen liegen, warnt das Deutsche Grüne Kreuz (DGK) in Marburg. Ein häufiger Schadstoff in Innenräumen ist etwa Formaldehyd, das bei Zimmertemperatur gasförmig ist.
Es wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO als krebserregend eingestuft. „Trotzdem kommt Formaldehyd noch in vielen Produkten vor - auch wenn die Ausgasungen heute um ein Vielfaches niedriger sind als noch vor etwa 20 Jahren“, erklärt DGK-Biologin Heike Stahlhut. „Die Hauptquellen des gesundheitsgefährdenden Gases in Innenräumen sind Holzwerkstoffe wie Spanplatten und Sperrholz, bei deren Herstellung formaldehydhaltige Kleber verwendet werden.“ Außerdem stecke es in Lacken und Farben, Bodenbelägen und Dämmstoffen.
Aufgrund ihrer meist großen Oberflächen können mangelhafte Möbel die Innenraumluft erheblich beeinflussen, weil sie über einen langen Zeitraum Schadstoffe ausgasen. Dabei handelt es sich um sogenannte flüchtige organische Verbindungen, die natürlichen oder künstlichen Ursprungs sind. „Bei Nadelhölzern sind es beispielsweise Terpene, bei Holzwerkstoffen ist es das bekannte Formaldehyd“, erklärt Diekmann. „Lacke können aufgrund ihrer Lösemittel problematisch sein. Hier sind es beispielsweise Ester, Ether und Ketone. Aber auch gewachste Holzoberflächen können Aldehyde freisetzen.“
Eine 2014 im Auftrag des Umweltbundesamtes veröffentlichte Studie zeigt, dass die Formaldehyd-Richtwerte der Raumluft durchaus überschritten werden. 80 von 2000 untersuchte Häuser waren belastet, darunter auch neue Gebäude. DGK-Biologin Stahlhut empfiehlt daher, sich beim Bauen und Einrichten für emissionsarme Produkte und Materialien zu entscheiden.
Doch für die Kunden ist es gar nicht so einfach zu beurteilen, ob und womit die Möbel belastet sind. Ob die Ausdünstungen wirklich von Schadstoffen verursacht werden, lässt sich nur mit einer Messung der Innenraumbelastung und einer Auswertung im Labor klären. Gesundheitliche Einschränkungen sind bestenfalls Indizien, keine Beweise. „Oft reagieren Menschen auch auf natürliche Stoffe mit Allergien oder Unverträglichkeiten“, sagt Geismann. „Am besten ist es, im Möbelgeschäft nachzufragen, wo und wie die Möbel hergestellt und welche Stoffe verwendet wurden.“
Orientierung geben Verbrauchersiegel wie der „Blaue Engel“, „Textiles Vertrauen“ nach dem Oeko-Tex-Standard, das „Goldene M“ der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel und das GS-Zeichen, das für geprüfte Sicherheit steht. Aber Geismann rät auch zum Vertrauen auf den eigenen Eindruck: „Es kann auch nicht schaden, im Möbelhaus mal die Nase in einen Schrank zu stecken. Riecht es dort schlecht, sollte man lieber Abstand nehmen“, sagt sie. „Wie soll es dann erst bei Möbeln sein, die nicht als Ausstellungsstücke an der Luft stehen?“