Der Fernsehsessel: Kommandobrücke fürs Wohnzimmer
Berlin (dpa/tmn) - Ein Fernseh- oder Ruhesessel ist weit mehr als ein einfaches Sitzmöbel. Er soll nach stressigen Arbeitstagen möglichst viel Entspannung bieten und das mit möglichst großem technischen Komfort.
Doch der falsche Stuhl kann Rückenschäden verstärken.
In Wohnzimmern wurde früher vornehmlich repräsentiert, und die Gäste wurden dort empfangen. Das hat sich geändert: „Heute gehört das Wohnzimmer eher zum privaten Wellness-Bereich der Familie, während man mit Gästen oft lieber gemeinsam am Esstisch sitzt“, sagt die Sprecherin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef, Ursula Geismann. Pompöse und technisch raffinierte Sitzmöbel helfen bei der Entspannung und Erholung - besonders der Fernseh-, Ruhe- und Relaxsessel. Die Bandbreite seiner Möglichkeiten ist groß.
Den Klassiker namens „Lounge Chair“ haben die amerikanischen Designer Charles und Ray Eames bereits 1956 entworfen. Die Sitzschale aus gebogenem Sperrholz ist dank eines Fußes aus Aluminium drehbar und hat eine aufwendige Polsterung mit Lederbezug. Der Stuhl wurde vielfach nachgeahmt und aufgerüstet.
Moderne Relax-Sessel können nicht nur gedreht, sondern mit leichtem Körperdruck und per Motor und Fernbedienung auch gekippt werden. Das Rücken- und Fußteil ist variabel. Manche Modelle wärmen oder massieren sogar den Rücken. Eine solche Funktion sei aber nicht immer wohltuend, sagt Detlef Detjen von der Aktion Gesunder Rücken im niedersächsischen Selsingen. Denn ist bereits ein Rückenschaden vorhanden, kann eine falsche Massage weitere Schäden verursachen, etwa einen Bandscheibenvorfall. Daher sollte vor dem Kauf ein Arzt um Rat gefragt und der Stuhl gründlich ausprobiert werden, damit Sitz- und Liegefläche zum künftigen Besitzer passen.
„Jeder muss für sich entscheiden, welche Ausstattung ihm wichtig ist“, sagt Geismann. Lieber schlicht oder aufwendig? Erleichtert ein Motor, der die Lehne aufrichtet, vielleicht das Aufstehen? Gerade die hochtechnischen Modelle sind bei Männern beliebt, sagt die Innenarchitektin Anne Jung vom Unternehmen „Form und Folgen“ in Wiesbaden. Sie bezeichnet den Fernsehsessel sogar als eine Art „Kommandobrücke“ im Wohnzimmer. Wer darauf sitzt und die Fernbedienung in der Hand hat, hat scheinbar alles im Griff.
„Frauen dagegen sind nicht so technikbegeistert“, sagt Jung. Sie würden mehr auf Design achten, welches aber bei Fernsehsesseln oftmals eine nachgestellte Rolle hinter der Technik einnehme. Denn Motor und Antrieb müssen im Möbel untergebracht werden, und das bequeme Möbelstück muss auch in der Liegeposition fest am Boden stehen.
Fernseh- und Relaxsessel brauchen daher viel Platz. „Um sich nach vorne und hinten voll entfalten zu können, sollte man eine Stellfläche von mindestens 1,5 mal 2 Meter einplanen“, rät die Fachautorin und Möbelexpertin Doris Haselmann. Zu beachten sei zudem die Belastbarkeit des Sessels. Dieser könne üblicherweise bis zu 150 Kilogramm Gewicht tragen.
Die Branche bietet Ruhesessel nicht nur als sogenannte Solitäre an, also einzeln stehende Möbelstücke. Sie können auch in komplette Wohnlandschaften integriert werden. Damit sich das neue Stück harmonisch in die vorhandene Einrichtung einfügen kann, sollten Teppich-, Stoff- und Ledermuster oder Bilder zur Beratung ins Möbelhaus mitgenommen werden. „Fast jeder hat heute eine Digitalkamera, mit der er ohne viel Aufwand Fotos vom geplanten Stellplatz machen und sie zum Kauf mitbringen kann“, sagt Geismann.
Außerdem muss wie bei jedem anderen Möbelkauf bedacht werden, dass die Stücke auf den großen Präsentationsflächen im Möbelhaus oft viel kleiner und zierlicher wirken als im eigenen Wohnzimmer. „Deshalb ist Ausmessen Pflicht“, betont Geismann.