Die Hölle sind die Nachbarn: Zoff ums Gemeinschaftseigentum
Stuttgart (dpa/tmn) - Bei Eigentümergemeinschaften droht oft Streit: um die Farbe der Fassade, Satellitenschüsseln oder Bäume im Garten. Schließlich kann nicht jeder machen, was er will. Über vieles muss gemeinsam entschieden werden - zum Teil sogar einvernehmlich.
Die Hölle, das sind die anderen, hat Jean Paul Sartre einmal geschrieben. Aber vielleicht müsste es heißen: Die Hölle, das sind die Nachbarn. Und womöglich gilt das erst recht für Eigentümergemeinschaften. Denn da müssen sich wildfremde Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen regelmäßig in grundlegenden Fragen einigen. Immer wieder geht das schief und endet vor Gericht, ein Fall kürzlich sogar vor dem Bundesgerichtshof (BGH): Da ging es um die Frage, ob Wohnungseigentümer ihre Haustür streichen dürfen, wie sie wollen oder ob die Eigentümergemeinschaft darüber bestimmen darf. Der BGH entschied gegen den individuellen Gestaltungswillen (Az.: V ZR 212/12).
Genau das macht es so schwierig: Eigentümergemeinschaften müssen Beschlüsse fassen, die nicht immer allen gefallen. Mancher fühlt sich den Miteigentümern dann geradezu ausgeliefert. Die Situation ist auch psychologisch heikel, erklärt der Konfliktberater Werner Schienle aus Stuttgart: „Ich habe das Gefühl, ich habe hier mein ganzes Vermögen reingesteckt und kann doch jetzt nicht alles aufgeben - nur wegen der Nachbarn.“ Das führt zu Frustrationen: „Ich erwerbe eine Immobilie mit dem Gedanken, ein Mehr zu haben als ein Mieter“, sagt der Rechtsanwalt Bertram Joachim Schmitt aus Mannheim.
In manchen Fragen muss die Eigentümergemeinschaft sogar einstimmig entscheiden. „Das gilt zum Beispiel für bauliche Maßnahmen, die das Gemeinschaftseigentum sichtbar verändern“, erläutert der Berliner Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Thomas Grabig. „Das kann zum Beispiel ein Fahrstuhl sein, der von außen ans Haus angebaut werden soll.“ Ein Klassiker in dieser Hinsicht: Die Fassade soll neu gestrichen werden - und zwar in einer anderen Farbe. „Dann müssen alle mitentscheiden“, erklärt Grabig, Rechtsberater bei Wohnen im Eigentum, dem Verbraucherschutzverein der Wohnungseigentümer.
„Das Wohnungseigentumsgesetz legt fest, dass die Geschicke, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, in der Eigentümerversammlung zu regeln sind“, sagt Grabig. Bei einem großen Teil der Entscheidungen reiche dann die einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer, zum Beispiel, wenn über Instandhaltungsmaßnahmen zu entscheiden ist.
Bei manchen Entscheidungen kann mal eine einstimmige, mal eine Mehrheitsentscheidung nötig sein: „Wenn es darum geht, ob grundsätzlich im Garten Bäume und Büsche gepflanzt werden sollen, muss das einstimmig entschieden werden“, erklärt der Rechtsanwalt. Wenn es um die Frage geht, ob Eschen oder Erlen, Hortensien oder Hundsrosen die Pflanzen der Wahl sind, nicht.
Es kann allerdings vorkommen, dass eine doppelt qualifizierte Mehrheit nötig ist. Das heißt: Drei Viertel der Eigentümer müssen zustimmen. Und die Befürworter müssen mehr als die Hälfte der Eigentumsanteile haben. Das sei unter anderem bei Beschlüssen über Modernisierungsmaßnahmen so, die nicht unverzichtbar sind. Grabig nennt als Beispiel eine Dachisolierung, die zwar energetisch vernünftig, aber nicht unvermeidlich ist.
Manchmal sind die Fronten total verhärtet. „Man kann versuchen, auf die Leute zuzugehen, die sich querstellen und Entgegenkommen zu zeigen“, sagt Werner Schienle. Und man müsse sich selbst bemühen, nicht jeden, der eine andere Meinung hat, als Querulanten zu sehen. Wenn man erst einmal in diesen Kategorien drinsteckt, komme man schwer wieder heraus. „Aber es wird immer Konstellationen geben, da lässt sich das nicht mehr aufbrechen“, sagt der Konfliktcoach.