Mit Präzision und Säge: Schwibbögen als Hobby
Wennebostel (dpa) - Säge, Schraubstock, Schleifmaschine - das sind die drei wichtigsten Werkzeuge für Wolfgang Lorentz. Der 57-Jährige und seine Frau Heike haben ein ungewöhnliches Hobby: Sie bauen Schwibbögen.
Auf den weihnachtlichen Lichterbögen mit Sockel befinden sich aber keine Kerzen, sondern es gibt eine indirekte Beleuchtung und einen 3D-Effekt. Das Ehepaar aus Wennebostel bei Hannover verkauft die Kunstwerke nicht, sondern zeigt sie nur auf Ausstellungen und in der eigenen Wohnung. Dort stehen ihre Werke auf und in den Schränken, in Regalen und auf Fensterbrettern.
„Wir haben einen anderen Ansatz, wir möchten das Motiv ausleuchten und verwenden auch nur Sperrholz und nicht edles Eschenholz wie die Kunsthandwerker im Erzgebirge“, sagt Wolfgang Lorentz. Die dünnen Holzplatten mit den ausgesägten Motiven werden dicht hintereinander platziert, das bringt den plastischen Effekt. Die Schwibbögen sind mal schlicht, mal verschnörkelt, mal größer, mal kleiner. 75 Kunstwerke haben die beiden in ihrer Freizeit bereits geschaffen.
Heike Lorentz arbeitete vor 15 Jahren für eine Frau aus Zwickau. „Bei ihr habe ich die Handwerkskunst aus dem Erzgebirge kennengelernt“, erinnert sich die 52-Jährige. Seitdem ist das Paar Fan dieser Region und fährt regelmäßig dorthin. Erstmals haben die beiden jetzt im Erzgebirge selbst ihre Schwibbögen ausgestellt.
„Wir möchten mit unseren Arbeiten auf das Erzgebirge aufmerksam machen, diese Tradition darf nicht verloren gehen“, sagt Heike Lorentz. Die Feinmechanikerin überlegt sich gemeinsam mit ihrem Mann die Motive. Es gibt kirchliche, christliche und städtische Ansichten, auch von Dörfern aus ihrer Heimat, der Wedemark. „Ich fertige nach Fotos oder Vorlagen eine Zeichnung an, diese wird dann auf das Holz übertragen“, erklärt Heike Lorentz. Aktuelles Motiv ist das „Abendmahl“ von Leonardo da Vinci, es soll in einem Jahr fertig sein.
Ihr Mann steht dann in der Werkstatt, einem kleinen Gebäude auf dem idyllischen Fachwerkhof. Die Säge läuft Stunde um Stunde. Nach der Vorlage seiner Frau sägt der Werkzeugmacher die Motive ins Holz. Dabei muss er auf den Millimeter genau arbeiten. „Man darf sich nicht versägen, dann kann man das ganze Holzstück wegwerfen“, sagt er.
Der Schwibbogen geht auf einen alten Brauch zurück: „Zur Mettenschicht, der letzten Schicht im Bergwerk vor Weihnachten, saßen die Bergleute vor dem Stollen zusammen und hatten ihre Grubenlampen am Mundloch, dem Eingang zum Stollen, aufgehängt“, erklärt Dieter Uhlmann, Geschäftsführer des Verbands Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller. Daher stamme die Form des Schwibbogens.
„Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hat dann ein Bergschmied seiner Knappschaft einen eisernen Bogen mit Talglichtern obendrauf geschenkt“, sagt Uhlmann. Daraus seien die späteren Schwibbögen entstanden. Sie werden heute aus Holz gefertigt, es gibt verschiedene Motive, etwa den Schwarzenberger Bogen mit Bergleuten sowie einem Schnitzer und einer Klöpplerin. Die Figuren verkörpern drei der Haupterwerbsquellen der erzgebirgischen Landbevölkerung.
Dieses Motiv findet sich natürlich auch bei Ehepaar Lorentz in der Werkstatt. Gleich neben einem Bogen, der Christi Geburt zeigt. Mit den Heiligen drei Königen, dem Stall, Tieren und Palmen. Diese sind nicht gesägt, sondern aus einzelnen selbst gedrechselten Holzstücken gefertigt, mit einem Draht in der Mitte zum Biegen. Die Liebe zum Detail fasziniert jeden, der die Arbeiten von Heike und Wolfgang Lorentz betrachtet. Und genau das ist der Antrieb für beide: Sie möchten den Menschen einfach eine Freude machen.