Neuer Luxus mit weniger Möbeln: Wie Minimalisten wohnen

Berlin (dpa/tmn) - Weniger ist mehr, heißt es oft. Menschen, die es damit richtig ernst meinen, sind sogenannte Minimalisten. Sie reduzieren ihre Besitztümer, um glücklicher zu leben. Sie propagieren bewussten Konsum und benötigen zum Wohnen nicht viel mehr als ein Bett, einen Stuhl und einen Tisch.

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„Im ersten Schritt geht es mir darum, Bewusstsein zu schaffen für die Sachen, die mich interessieren“, erklärt Sebastian Michel aus Berlin seine Idee. Der 25-Jährige lebt seit vier Jahren minimalistisch. Die Frage „Was macht mich glücklich?“ steht dabei an oberster Stelle. Sie stellte Michel sich nach einem Krankheitsfall in seiner Familie. „Ich wollte von Dingen aus meiner Kindheit loslassen, mich von mehr als der Hälfte meiner Bücher, DVDs und Kleidungsstücke trennen“, erzählt er. Dinge, die wie eine Last an ihm hingen. Nach der Entrümpelungsaktion empfand er als erstes Glück. „Ohne die vielen Sachen hat es sich einfach besser angefühlt.“

In seinem 20 Quadratmeter großen WG-Zimmer befinden sich nur noch Bett, Kleiderstange, Leuchte sowie ein Bild und eine Box mit übriggebliebenem Kleinkram. Schreibtisch und Stühle braucht er nicht. Auch das Regal mit Büchern hat er aufgegeben. Zum Lesen nutzt der Kommunikationsassistent und Blogger einen E-Book-Reader. Michel betont: „Mein Zimmer nutze ich zum Entspannen.“ Aus seinen ersten Erfahrungen mit dem Minimalismus ist heute eine Haltung, ein alternativer Lebensstil geworden. „Es geht auch darum, bewusster zu leben und sich beispielsweise von Routinen des Alltags zu lösen.“

Bei Michael Klumb aus Bergisch Gladbach hat alles in seinem Ein-Zimmer-Appartement angefangen. „2011 stand ich in der Wohnung und sagte mir, so kann es nicht weitergehen“, erzählt der 35-jährige Augenoptiker. „Es ist hier nicht mehr gemütlich mit so vielen Dingen.“ Damals hatte Klumb 2500 CDs im Regal und auch viel zu viel von allem anderen, ob Bücher, Kleidung oder Gewürzdosen. Hinzu kamen nicht genutzte Möbel wie ein Tisch mit zwei Stühlen. „Alles war zugestellt“, sagt Klumb. „Ich kam nicht mehr hinterher aufzuräumen.“

Er begann nach einem Weg zu suchen, seine Wohnsituation zu ändern. Klumb mistete im großen Stil aus. Ein Schlafsofa, ein kleiner Kleiderschrank sowie eine Schrankwand, Fernseher und wenige Ordner sind übrig geblieben. Bücher gibt es nur noch wenige, als Dekoration genügen ihm ein Bild an der Wand und eine Orchidee. „Mir gibt der neugewonnene Platz das Gefühl von Klarheit und Befreitheit“, sagt er.

Klumb weiß, dass der Leidensdruck bei vielen Minimalisten vorher hoch gewesen ist. „Zu viel Stress kann ein Auslöser für Minimalismus sein“, sagt er. „Sowie der Wunsch auf verschiedene Weise loszulassen und glücklicher zu leben.“ Dies kann Christiane Varga, Raumsoziologin beim Zukunftsinstitut in Wien, bestätigen: „In unserer globalen, komplexen und digital vernetzten Welt wird es schwerer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“ Nämlich auf sich selbst. Materielle Dinge lenken beim Fokussieren auf das eigene Ich besonders ab. So scheint es folgerichtig, dass „der neue Luxus das Gegenteil von Protzigkeit ist“, sagt die Wohnexpertin.

Denn Minimalisten schaffen ihre Identität durch Abgrenzung: mit weniger Konsum und wenigeren Möbeln. Ein opulenter Schrank, ein vollgestopftes Regal und zu viel Dekoration stören auf dem Weg zum Glücklichsein. Auch kräftige Farben können eine unerwünschte Raumwirkung verursachen. Asketischere Möbel etwa im Bauhaus-Design oder im skandinavischen Stil wirken laut der Expertin eher förderlich für die Kreativität und den Weg zu sich selbst. Dazu passen dann die Farben Weiß, Grau, Schwarz - sogenannte Nicht-Farben, die bewusst keine Wirkung erzielen sollen.

Aber es ist nicht so, dass Minimalisten nichts mehr kaufen. „Es geht um bewussten Konsum. Und dies heißt meistens weniger“, erklärt Klumb. Neuanschaffungen sollen möglichst lange halten, ein schickes Design aufweisen und in ihrer Funktion nützlich sein. Die Frage „Brauche ich das überhaupt?“ wird hier jedes Mal aufs Neue beantwortet. Denn: „Dinge, die man kauft, bedeuten etwas“, sagt Michel. „Sie sind nicht einfach so da, nur weil man sie sich leisten konnte.“