Viel Lärm um nichts - Nachbarstreit vor Gericht
Mainz (dpa/tmn) - Stinkende Komposthaufen, bellende Hunde oder krähende Hähne: Gründe für Nachbarschaftskonflikte gibt es viele. Oft lässt sich der Streit nicht mehr schlichten und die Fälle landen vor Gericht.
Bekanntlich kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Ein Blick in die einschlägigen Gerichtsakten zeigt dabei die Vielfalt nachbarlicher Beziehungen. Denn als störend werden Kinder, des nachts streitende Eheleute, Musikinstrumente und häufig auch Tiere empfunden.
So befand beispielsweise das Landgericht Mainz, auch in einer ländlichen Gegend müsse ein Hundehalter sicherstellen, dass der Nachbar nicht vor sieben Uhr morgens und zwischen 13.00 und 15.00 Uhr sowie nach 22.00 Uhr durch übermäßiges Hundegebell gestört werde (Aktenzeichen: 6 S 87/94). Die Amtsgerichte Rheine (Aktenzeichen: 14 C 731/97), Hamburg (Aktenzeichen: 49 C 165/05) und Potsdam (Aktenzeichen: 26 C 76/00) billigten Mietern das Recht zu, die Miete wegen Hundegebells aus der Nachbarwohnung zu kürzen, und dem Vermieter das Recht, den Hundehalter kurzfristig vor die Tür zu setzen.
Doch der Bannstrahl Justitias trifft nicht nur Hunde, sondern auch Hühner und Hähne. So untersagte das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Hühnerhaltung, wenn deren Gegackere den Nachbarn unzumutbar belästige (Aktenzeichen: 4 U 37/87). Ebenso „untersagten“ die Landgerichte Hildesheim (Aktenzeichen: 7 S 541/89) und München I (Aktenzeichen: 23 O 14452/86) den Hahnenschrei zur Unzeit. Dagegen urteilte das Landgericht Kleve, ein schon vor 03.00 Uhr in der Frühe krähender Hahn sei in einer ländlichen Gegend den Nachbarn zumutbar (Aktenzeichen: 6 S 311/88).
Ein beliebtes Streitobjekt zwischen Nachbarn sind Katzen. So kann sich nach Meinung des Amtsgerichts Neu-Ulm (Aktenzeichen: 2 C 947/98) ein Nachbar nur gegen mehrere frei laufende Katzen erfolgreich vor Gericht zur Wehr setzen. Nach Ansicht des Landgerichts Bonn müssen Grundstückseigentümer die Verunreinigung durch Katzenkot nicht ohne weiteres dulden (Aktenzeichen: 8 S 142/09). Zwar sehe die Rechtsprechung darin teilweise noch hinnehmbare Beeinträchtigungen. In diesem Fall verneinten die Richter aber eine Duldungspflicht wegen der „konkreten Wohnsituation“. Denn die Katzen hatten auf dem Terrassenbereich der Kläger keine Möglichkeit, ihren Kot im Erdreich zu verscharren. Werden in der Mietwohnung 15 Katzen gehalten, darf der Vermieter kündigen, selbst wenn Hauskatzen laut Mietvertrag grundsätzlich erlaubt sind, so das Landgericht Aurich (Aktenzeichen: 1 S 275/09).
Bei Kinderlärm sollte der Nachbar seine Hoffnung nicht auf die Gerichte setzen. Denn sie haben längst klargestellt, was der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich regeln will: Kinderlärm ist grundsätzlich keine unzulässige Lärmbelästigung. So müssen Mieter nach Meinung der Amtsgerichte Starnberg (Aktenzeichen: 1 C 1021/91) und Frankfurt (Aktenzeichen: 33 C 2368/08) Kinderlärm hinnehmen. Das Landgericht Berlin sieht einen Vorrang „lärmintensiven Kinderspiels“ vor den Interessen der Mieter (Aktenzeichen: 66 S 114/92). Das Landgericht Bad Kreuznach (Aktenzeichen: 1 S 21/01) sowie das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf (Aktenzeichen: 409 C 285/08) werten Kinderlärm nicht als Grund für eine fristlose Kündigung. Allerdings müssen Eltern nach Meinung der Landgerichte Köln (Aktenzeichen: 6 S 403/07) und Berlin (Aktenzeichen: 67 S 485/09) auch auf die allgemeinen Ruhezeiten achten.
Selbstverständlich müssen sich Gerichte auch noch aus anderen Anlässen mit streitenden Nachbarn befassen. So muss sich der früh und spät übende Pianist nach Urteilen der Landgerichte Düsseldorf (Aktenzeichen: 22 S 574/89) und Frankfurt (Aktenzeichen: 2/25 O 359/89) auf die Tageszeiten und dann auch noch auf maximal drei Stunden beschränken. Ein Heavy-Metal-Fan darf nach einem Urteil des Landgerichts Coburg vom Vermieter sogar vor die Tür gesetzt werden (Aktenzeichen: 32 S 1/08).
Ebenso wehrten sich Nachbarn erfolgreich vor dem Amtsgericht Bergisch-Gladbach gegen ein ständig streitendes Ehepaar (Aktenzeichen: 64 C 125/00). Das Amtsgericht Düsseldorf sah darin sogar eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bestraft werden kann (Aktenzeichen: 302 OWi - 904 JS 708/91). Ebenso wenig müssen Nachbarn das „grenzenlose Ausleben des Sexualtriebs“ hinnehmen, so jedenfalls das Amtsgericht Warendorf, das einem Pärchen „lautstarkes Sexgestöhne“ nachts untersagte (Aktenzeichen: 5 C 414/97).
Letztendlich fehlen auch die traditionellen Nachbarstreitigkeiten nicht: Der Hauseigentümer muss es nicht hinnehmen, wenn die Baumwurzeln des Nachbarn sein Regenabflussrohr verstopfen (OLG Düsseldorf, Aktenzeichen: I-22 U 6/07). Er darf vom Nachbarn auch den Rückschnitt der in sein Grundstück hinüber ragenden Äste verlangen, so das Landgericht Bochum (Aktenzeichen: 10 T 110/02).
Schließlich muss der Nachbar grundsätzlich den Komposthaufen dulden, urteilten übereinstimmend die Amtsgerichte Regensburg (Aktenzeichen: 7 C 1956/83) und Hersbruck (Aktenzeichen: 9 C 1635/96). Eine Ausnahme gilt nach einem Urteil des OLG Stuttgart allerdings, wenn sich Schädlinge auf dem Komposthaufen niederlassen (Aktenzeichen: 5 U 74/04).