Zurück auf den Teppich: Alte Perser neu aufgelegt
Bochum (dpa/tmn) - Wer einst Omas alten Perser weggeworfen hat, wird sich ärgern. Denn der Orientteppich ist wieder in. Doch die Teppich-Designer gehen dem alten Ding mächtig an die Wolle: Bis zu 100 Jahre alte Stücke werden gebleicht, radiert, überfärbt und zerschnitten.
Ein moderner Wohnraum kann eine sterile Angelegenheit sein: weiße Wände, kleine schwarze Couch, verchromter Tisch und ein schwarzer Fliesenboden. Doch darauf kann ein farbenfroher, flauschiger Orientteppich liegen. Denn der alte Perser erlebt eine Renaissance - eine Wiederentdeckung für das modern und minimalistisch eingerichtete Zimmer. Dort schafft gerade dieser Teppich aus Omas Wohnzimmer mit aufwendigem Muster und viel Geschichte das, was keine Ledercouch, keine Granitfliese und kein Chromtisch vermitteln kann: das Gefühl des Altbekanntem.
„Niemand fühlt sich in einem klinisch gestylten Apartment mit hochpolierten, betonierten Böden wohl“, sagt der Teppich-Designer Jan Kath aus Bochum. Er und eine ganze Reihe Designer wollen in diesem Jahr die junge Generation, die Kaths Beschreibung zufolge einst Omas Perser zusammenrollte und in den Keller verbannte, „zurück auf den Teppich“ zu bringen. Und diese Generation stürmt laut der Vereinigung der europäischen Teppich-Importeure (European Carpet-Importers Association - EUCA) derzeit die Teppichlager.
EUCA-Verbandsvorsitzender Ali Ipektchi ist begeistert von den jungen Leuten, die den Teppich nicht mehr zum „Gelsenkirchener Barock“ auslegt: unter das Plüschsofa und neben Blümchentapeten. „Die Orientteppiche werden nun völlig anders inszeniert. Das sieht Hammer aus in einem modernen Zimmer.“
Doch nur selten kommt der Perser daher wie ein alter Weggefährte aus der Kindheit: Arte Espina zeigt etwa alt anmutende Muster in ungewohnt knalligen Rottönen. Jan Kath taucht ungebrauchte Perser aus Traditionsmanufakturen in zeitgemäße Neon-Farben ein, die klassischen Muster schimmern noch leicht durch. „Wir haben positive Erinnerungen an die Vergangenheit und transportieren dies im neuen Gewand in die Gegenwart“, beschreibt Gabriele Kaiser, die auf der weltweit führenden Teppichmesse Domotex in Hannover die Trends analysierte, diese Veränderung.
Doch die rein optische Aufwertung geht manchen noch nicht weit genug. Sie wollen das alte Original radikal verändern: „Traditionelle Orientteppiche werden mit neuen geometrischen Formen kombiniert oder patchworkartig neu zusammengesetzt“, erläutert Kaiser.
Das Unternehmen Kymo aus Karlsruhe beschreibt das in seiner Kollektionsbeschreibung von The Mashup als „Vertrautes zu dekonstruieren und in einen absolut zeitgemäßen Kontext zu stellen“. Hierfür wird ein Teppich zerschnitten und in einem Patchwork-Muster neu zusammengesetzt. Darüber werden etwa Schriftzüge gedruckt. Bei Luv Interior bilden Teile mehrerer Teppiche einen neuen Perser.
Das Unternehmens Miinu aus Dortmund lässt 50 bis 100 Jahre alte Vorleger mit einem Gemisch aus Joghurt und Zitrone einreiben und dann das Gewebe monatelang in der türkischen Sonne bleichen, wie Firmensprecher Patrik Salewski erläutert. „Diese alten Teppiche haben natürlich nicht die Farben, wie sie heute gefragt sind. Daher überfärben wir sie nach dem Bleichen.“
Andere Unternehmen geben alten oder für diese Zweck neu gewebten Teppichen mit Bleiche oder Schleifmaschinen Gebrauchsspuren. Abgewetzt, oft farblos wirken diese dann - und passen in eine etwas farbenfrohere Umgebung. Darauf verzichtet Miinu: „Wir wollen, dass unsere Teppiche einen Used-Look haben, weil die Zeit an ihnen genagt hat und nicht mit Maschinen darüber gegangen wurde“, sagt Salewski.
Die Bearbeitung von Originalen hat ihren Reiz, denn sie macht uralte, handgeknüpfte und handgewebte Einzelstücke mit oft verwendetem Muster durch Handarbeit auch noch optisch zu einem Unikum. Aber das kann sich nicht jeder leisten - echte Perser sind eine Investition. Denn nur handgearbeitete Teppiche aus arabischen Ländern und China dürfen Orientteppiche genannt werden.
Sie haben laut der EUCA typisch orientalische Muster, die oftmals von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Je dichter die Teppichknoten geknüpft werden, desto wertvoller sind sie. Manche haben bis zu einer Millionen Knoten pro Quadratmeter. In Europa und darunter besonders in Deutschland sind die Perser der EUCA zufolge insbesondere seit der Nachkriegszeit beliebt. Alte Perser im Originalzustand wurden schon für mehrere Millionen Euro versteigert, die trendigen, aktuellen Modelle können bis zu 1000 Euro pro Quadratmeter kosten.
Wer ein altes Erbstück auf dem Dachboden hat, kann sich aber auch daran halten - denn auch ungefärbt und ungebleicht macht der Perser einiges im modernen Ambiente her. Den Teppichexperten zufolge liegt er besonders gut auf großen Flächen und neben musterlosen, schlichten Möbeln. Denn dort müssen die im Original oft in Beige- und Brauntönen gehaltenen Vorleger nicht um Aufmerksamkeit buhlen.